Springvogel
Lyrische Prosa, lyrische Klangwelten, Slamtexte, Piktolyrik, Lyrik - das Wort, Sphüngs, Zirkelschneck und andere freischwurbelnde Absonderlichkeiten, grenz-
und kopfüber ...
Dienstag, 16. Dezember 2025
Vom Gehen
Sonntag, 9. November 2025
Wo ist die Welt?
Eigentlich bin ich zu groß, so in mir drin und in all dem, was mich ausmacht und was ich mir denke und zu dem Bild gestalte, das ich klein falte, das ich innehalte, das ich mir von der Welt mache, in das hinein ich mich aus- und dann wieder anlache. In das ich mich füge - hinein und zusammen. Und dass ich sie mache, die Welt, die große, die weite Welt, die klein gefaltete und anderen groß aus mir heraus ausgebreitete Welt - sie passt nicht in mich hinein, die Welt. Denn sie ist voller anderer, denen es eigentlich genau so wie mir ergeht. Auch wenn ihre Welten, die sie in sich erstehen lassen aus ihrem Erkennen, Fühlen und Gestalten (Auch dieses Wort - so nah ist es an Falten, mit seinem ihm eigenen Klang - und wie oft schon wurde es und wird zu Gesang, Anfang und Beginn, ändert, verliert und gewinnt ... an Sinn.)
Eigentlich bin ich zu groß für diese Welt, weil ich mich an meiner eigenen, kleinen festhalte und mein Erkennen nicht über meine Sinne hinaus reicht.
Eigentlich ist das gut. Denn diese große, weite Welt aus den Welten anderer würde, ließe ich sie in mich hinein, mich auslöschen, mich mit sich fortreißen und verschlingen ohne Spur. Ohne Spur. Auch wenn das ist, was auf mich wartet, wenn diese kleine zu große Welt eines Tages ihren inneren Zusammenhang verliert und sich auflöst in dem, was man Sterben nennt: Ohne Spur zu sein. Was bleibt: Eine Spur, die endet. Ein Körper, der vergeht. Ein Geist, der noch eher vergangen sein wird als die Hülle, die ihn umgab und in die hinein er verortete, was er Welt nannte, ängstlich bedacht, sich nicht zu verlieren, an nichts und an niemanden. Vielleicht ist da ein Erinnern an mich, eines, das auch vergehen wird, eines, das ein Bild ist in eines anderen Welt.
Und vielleicht ist da auch das, was wir Seele nennen und dem ich, allein im Zimmer mit Gestorbenen, das Fenster öffnete auf einen vermuteten Weg zurück in ein angenommenes Zuhause. Denn diese Welt ist nicht mein Zuhause.
"... Salomo sprach: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? ..."1.Könige 8,27
... oder halt diese Welt, die ich mir erbaute oder die andere mir ausgeben als die ihre.
Wo ist die Welt? In mir, so wie mein Atmen, und dann auch wieder nicht, so wie mein Atmen es ist? Sie reicht auf jeden Fall weit über das hinaus, was meine Sinne mir lassen. Und doch bin ich zu groß für sie, weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin. Und die Welt, dieses Universum ist zu groß, als dass wir Gott darin erkennen können, in dem alles ... ist.
Freitag, 20. September 2024
Schattensaiten
was schwingt in dir so dunkelblau
und summt in tiefen Terzen dich
dass du so jung vom Abschied weißt
von dünnem Eis, das Leben heißt
trägt dich zu mir ein Bogenstrich
in meine Brust, du kleine Frau
spannst dich hin mir, auch dem Bogen
dem du das Streichen lässt und mich
rührt aus deinem Spiel mein Wissen
an ums Sterben und von Küssen
voll alles Klingen lediglich
Vögel, die nach Süden zogen.
Dienstag, 4. Juni 2024
So leicht und doch so schwer
Ein Buckelwal wiegt ungefähr 30 Tonnen und würde unweigerlich aus dem Blau des Himmels zu Boden fallen. Hoffentlich ins Meer. Ein Kubikmeter Schönwetterwolke besteht aus einem Gramm Wasser. Somit zieht mit jeder mittelgroßen Schönwetterwolke das Gewicht eines Buckelwals über uns hinweg.
Aus winzigen Tröpfchen Wassers und jeder Menge freien Raums dazwischen bestehend, fällt die Wolke nicht wie ein Wal aus dem Himmel, sondern, wenn überhaupt, als Regen. Bleibt über lange Zeit in der Schwebe. Zieht, uns scheinbar unerreichbar weit und amorph, mit dem Wind.
Was mag uns, einer Wolke vergleichbar, zugleich fern wirken, leicht und doch unsagbar gewichtig sein? Was regnet irgendwann zu Boden?
Gestern Mittag lag ich bei schönstem Sommerwetter auf einer Wiese und sah über mir den Traum eines Buckelwals mit dem Blau des Himmels ziehen. Ich schaute ihm lange nach und mit der Zeit verlor sich die Wolke. Wahrscheinlich war der Wal aufgewacht, dachte ich mir. Gestern Abend ging ich barfuß im Regen spazieren und es waren die Träume mir fremder Menschen.
Ludwig Janssen © 4.6.2024
Da ist was im Anzug
Wie schon vor langer Zeit erzählt, hatte sich Ratur Lite auf den Weg gemacht, das Glück zu suchen. Seine neueste Errungenschaft war ein wundersamer Anzug, den er an einer Korbweide hängend gefunden hatte. Kaum, dass er ihn angezogen hatte, fühlte er sich eins mit der Natur.
Die Jacke strahlte an Schultern und Kragen himmelblau, darunter changierten Grau- und Weißtöne wie Regentage. Die Hose erinnerte an Pfützen und tropfnasses Gras. Die Weste schimmerte in den Farben eines Sommertags. Dazu trug Herr Lite einen schwarzen Hut mit breiter Krempe.
Schuhe? Nein. Herr Lite hatte die Hosenbeine umgeschlagen und lief barfuß. Das erdete ihn. Heute war ihm ein wenig blümerant zumute. So ein Kribbeln. Unterm Hut knisterte es. Und als er den Hut lupfte, um einer Kuh einen guten Tag zu wünschen, schaute die erschrocken.
Denn unterm Hut britzelten winzige Lichtblitze durch die Haarspitzen.
"Nanu?", dachte die Kuh.
Ratur Lite wünschte ihr einen guten Tag und ging seines Wegs. Der führte ihn weg von der Weide mit der Kuh hin zum Horizont. Ratur hörte noch wie die Kuh "Ein Gewitter ist im Anzug!" rief. Er sah, dass die Kuh sich an die Brust griff, ein schwarz-weißes Etui hervorzog und diesem eine Sonnenbrille entnahm, die sie sich auf die Nase setzte.
"O...ha", dachte Ratur. Aus einer früheren Erfahrung wusste er, dass bald ein Blitz einschlagen würde. Im Anzug rumorte es, das Himmelblau der Schultern hatte sich zu tiefem Grau verloren und Böen blähten den Anzug auf, dass der nur so schlackerte und flatterte um Raturs Gestalt wie eine Fahne im Sturm.
Unterm Hut tobten Lichtbögen durchs Haar. Das kitzelte und britzelte, nicht auszuhalten. Als es Ratur Lite zuviel wurde und er den Hut vom Kopf riss, stand er in grelles Licht getaucht, und beratend krachender Donner hüllte ihn ein.
Doch ebenso schnell, wie das Gewitter in den Anzug gelangt war, legte es sich wieder. Ratur seufzte, tat einen tiefen Schnaufer und patschte durch Pfützen und nasses Gras. Der Anzug passte ihm wie angegossen und in der Ferne erkannte er noch, wie die Kuh die Sonnenbrille absetzte und wieder einschob.
"Alles wird gut", sagte er sich, setzte den Hut auf und machte sich wieder auf die Suche nach dem Glück.
Mittwoch, 15. Mai 2024
Odessa und Gaza
Odessa und Gaza. Vor 10 Jahren, am 2. Mai, brannte in Odessa ein Gewerkschaftsgebäude, darin pro-russische Aktivisten. Im TV sah ich davor Menschen, von denen die einen Molotow-Cocktails warfen, die anderen Hilfe leisteten. Ein Sprecher beschrieb die beiden Modi, aus denen heraus die Menschen derart unterschiedlich handelten. Die einen seien im Kriegsmodus und feierten die Vernichtung eines Feindes, die anderen seien im Friedensmodus und sahen Menschen in Not, denen sie helfen wollten.
Erinnere ich mich an die Bilder vom 7. Oktober 2023 aus Israel und sehe die aktuellen vom Krieg der israelischen Armee gegen die Hamas in Gaza, fühle ich mich an den Bericht aus Odessa vom 2. Mai 2014 erinnert: Die Terroristen, selbst von Müttern geboren, als Kleinkind von Schwestern umsorgt, sahen in ihrer von Hass erfüllten Verblendung in ihren Opfern nicht Mütter, Kleinkinder und Schwestern, sondern, Kriegsmodus, Feinde, die es zu schänden, demütigen, zu vernichten galt. So auch die Menschen in Gaza, die auf zur Schau gestellte getötete Israelis einschlugen. Ich weiß nicht, wer die Hamas darin bestärkte, auf diese Weise Israel zu zwingen, zurückzuschlagen und den Krieg und Soldaten im Kriegsmodus in ihre Heimat Gaza und über die Menschen zu bringen, die ihre Mütter, Schwestern, Kinder sind. Ich sah die Terroristen der Hamas nicht die Waffen strecken, ihre Geisel freilassen und so den Krieg von ihren Mitmenschen abwenden. Ich sah sie sich unter ihrem Volk verstecken und sie als lebenden Schutzschild und ihr Leiden und Sterben als Anklage Israels missbrauchen. Zeit für den Friedensmodus? Es wird Zeit dafür, in den Menschen Gazas nicht Schutzschilde eines Feindes zu sehen, den es zu zerschlagen gilt, sondern Mütter, Kinder, Schwestern, die man, herrschte Frieden und wären es die eigenen Familien, nicht gern in Gefahr sähe, von Bomben zerfetzt zu werden oder Hunger zu leiden.
Ob es Israel gelingt, zu einem Friedensmodus zu finden und in den palästinensischen Zivilisten Gazas Menschen zu erkennen, die Schutz und Hilfe brauchen? Es ist nicht Israel, es sind die Menschen Israels, die die Chance haben, sich den Schutzbedürftigen barmherzig und helfend zu zeigen und, vielleicht, den sich immer wieder erneuernden Hass zu durchbrechen.
Zeit für den Modus Vivaldi. Zeit für Zitronenfalter.
Ludwig Janssen © 15.5.2024
https://springvogel.blogspot.com/2014/05/ukraine-krieg-und-frieden-als-menschen.html
Sprüche 21,2: Jeder meint, sein Verhalten sei richtig, / doch der Herr prüft die Herzen.
Dienstag, 14. Mai 2024
Wie ist das Universum klein
Ach, wie ist das Universum klein
passt in meinen Kopf hinein, geht
dort lächelnd aus, kehrt schweigend ein
hat sich, so zwischen meinen Ohren
noch nie verloren, so wie ich mich
in einem jeden seiner Lieder, die
schaue ich auf zu seinen Sternen
mich erfüllen, von mir entfernen
aus all den mir vertrauten Dingen
lösen, wieder heimwärts bringen
und auf einmal ist es riesengroß
wie mein Staunen, lässt mich los
atmet mich ein und schweigt mich aus
ein kurzes Leben lang ein Mensch
zu sein, ach, ist das Universum klein
Ludwig Janssen © 14.5. 2024
Dienstag, 7. Mai 2024
Wenn ich das Licht ausschalte
Ihr wartet schon so lange Zeit
das ist wenn ihr mit mir seid
und ich fürchte ich nicht an
euch denke seid ihr bereit mich
einzuhüllen in euer dasein mit
zu nehmen in eure Arme die
warten dass ich das Licht aus
knipse und mitten in dir Dunkel
sitze dich Stille in den Ohren nein
fühle ich mich nicht verloren mein
Sinnen höre ich Gedanken spinnen
an einem von ihnen hänge ich kann
fliegen Spinnlein im vergehenden
Sommer mit dem letzten warmen
Abendwind müdes Lachen leise
meine Reise beginnt wenn ihr beide
ohne mich seid und ich nicht mehr
liege in eurem warmen Umarmen
mein Sinnen und Spinnen euch gilt
all mein Loslassen angekommen ist
Ludwig Janssen © 7.5.2024
Piktolyrik № 0,1 bis 0,3
Piktolyrik № 0,1
schwanger
(e)
Piktolyrik № 0,2
Brutkasten
[e]
Piktolyrik № 0,3
7.10.23
[(ė)]
Ludwig Janssen © 7.5.2024
Freitag, 3. Mai 2024
... Universum
Dem Silbenschwein mondete Strahlen so
klar waren die Nacht und silbern ihr Klang
schwang auf dem Mitternachtsläuten fein
erfreuten flirrende Falter sich an wenigen
Leuten, die zum Himmel blickten und Lieder
hinauf in den Mondschein schickten, da war
so ein Wundern, kindliches Kichern hing, wo
das Haar Berenikes am Wortsaum sich fing
waldeten neue Geschichten auf und blieben mit
all ihrem Wispern und All ihren Bäumen Träumen
in einem Univers um deine Stirn, dein Denken wo
hin wird es dich tragen an Tagen voll Sonne, Scheinen
will meinen, so, wie du unter Sternengewimmel ein
Himmel bist und Weg wandernder Worte und Seen
wird nur durch dich ein Blick in die Welt entstehen
aus Silbenschweins Lauf über den Dächern der
schlafenden Stadt, die gewartet hat auf einen
Menschen und die Sphäre Raum im und dem
Ludwig Janssen © 3.5.2024