Wie schon vor langer Zeit erzählt, hatte sich Ratur Lite auf den Weg gemacht, das Glück zu suchen. Seine neueste Errungenschaft war ein wundersamer Anzug, den er an einer Korbweide hängend gefunden hatte. Kaum, dass er ihn angezogen hatte, fühlte er sich eins mit der Natur.
Die Jacke strahlte an Schultern und Kragen himmelblau, darunter changierten Grau- und Weißtöne wie Regentage. Die Hose erinnerte an Pfützen und tropfnasses Gras. Die Weste schimmerte in den Farben eines Sommertags. Dazu trug Herr Lite einen schwarzen Hut mit breiter Krempe.
Schuhe? Nein. Herr Lite hatte die Hosenbeine umgeschlagen und lief barfuß. Das erdete ihn. Heute war ihm ein wenig blümerant zumute. So ein Kribbeln. Unterm Hut knisterte es. Und als er den Hut lupfte, um einer Kuh einen guten Tag zu wünschen, schaute die erschrocken.
Denn unterm Hut britzelten winzige Lichtblitze durch die Haarspitzen.
"Nanu?", dachte die Kuh.
Ratur Lite wünschte ihr einen guten Tag und ging seines Wegs. Der führte ihn weg von der Weide mit der Kuh hin zum Horizont. Ratur hörte noch wie die Kuh "Ein Gewitter ist im Anzug!" rief. Er sah, dass die Kuh sich an die Brust griff, ein schwarz-weißes Etui hervorzog und diesem eine Sonnenbrille entnahm, die sie sich auf die Nase setzte.
"O...ha", dachte Ratur. Aus einer früheren Erfahrung wusste er, dass bald ein Blitz einschlagen würde. Im Anzug rumorte es, das Himmelblau der Schultern hatte sich zu tiefem Grau verloren und Böen blähten den Anzug auf, dass der nur so schlackerte und flatterte um Raturs Gestalt wie eine Fahne im Sturm.
Unterm Hut tobten Lichtbögen durchs Haar. Das kitzelte und britzelte, nicht auszuhalten. Als es Ratur Lite zuviel wurde und er den Hut vom Kopf riss, stand er in grelles Licht getaucht, und beratend krachender Donner hüllte ihn ein.
Doch ebenso schnell, wie das Gewitter in den Anzug gelangt war, legte es sich wieder. Ratur seufzte, tat einen tiefen Schnaufer und patschte durch Pfützen und nasses Gras. Der Anzug passte ihm wie angegossen und in der Ferne erkannte er noch, wie die Kuh die Sonnenbrille absetzte und wieder einschob.
"Alles wird gut", sagte er sich, setzte den Hut auf und machte sich wieder auf die Suche nach dem Glück.
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