Dienstag, 23. Mai 2023

Letzter Moment

Das Bett, in dem du starbst: hochgefahren, sauber, desinfiziert und auf ernüchternd kalte Art verlassen. Wie auch dein Körper, der, der dich knechtete, verlassen dalag, erkaltete. Doch glich er den Blumen, die du pflücktest an guten Tagen, deren letzten Moment du konserviertest zwischen Zeitungspapier mit Schnee von gestern und schweren Büchern, die weder von Blumen noch von Starre erzählten. Eine Blume, verlassen von Atmen und Atem. Abschied. Ein Moment des Abschieds, konserviert für den Schnee von gestern in meinem Schreiben, meinem Erinnern.


Ludwig Janssen 29.4.2023

In deinen Augen

Ich weiß, wir alle müssen einmal geh'n
das sagt man so und wischt es aus dem Hirn
wähnt es weit und spricht vom Himmelblau
wo das Sterben Wolke ist und ohne uns
weiterzieht und, was geschieht, Gestirn ist
wie Sonne, Mond und Sterne, ach, die Ferne
ist ein Versprechen, wo Wünsche in Erfüllung geh'n
unsere Pläne passgenau, ist, wo du ewig bist
wartest, mir entgegen zartest deine Gunst
der Stunde in meiner Hand liegt und geschieht
das Leben satt ist und ein Liebeslied, doch
habe ich es tief in deinen Augen gesehen, wir
müssen alle einmal gehen, in deinen Augen
zum Tauchen taugen sie und auch zum Fliegen
schön sah ich es liegen in der Tiefe und im
Himmelblau sah ich es fliegen: Ich werde geh'n.

Ludwig Janssen © 23.5.2023

Sonntag, 14. Mai 2023

Heimweh

Ob ich nun am Meeresstrand
stand oder in Regensburg, Mälze
mein Herz in der Hand, stand
doch flog mit Wolken und Vögeln

Ob ich nun fort oder heim geh,
bin ich eh auf der Suche nach Weh
Denn du bist mein Heimweh, auch
wenn ich längst einseh, ganz tief

In meinem Bauch, trag' ich dich
auch, einen schönen Gedanken, um
den Sehnen und scheue Ängste
sich ranken, noch bleiben sie stumm

Du bleibst und treibst mit jedem
Wellenschlag an meine Küste, wenn
ich dich nur wüsste auf hoher See
Heimweh, setzte ich die Segel, denn

vielleicht sah ich dir schon in Augen
wie sie zu Tiefgang und Möwenflug
taugen, habe ich dich schon an Tagen
voller Fragen in meinem Herzen getragen

Kein Meer ist so weit wie das Heimweh
dessen Tiefe so sehr mir ins Blau
des Himmels steigt und mich zieht, hinab,
in den Arm nimmt, mich wiegt: irgendwo liegt

was ich nie versäumt und träumt Heimweh

Ludwig Janssen © 14.5.2023

Mittwoch, 26. April 2023

... atme ich dann wieder ein

Ich hab in mir aus Dunkelstunden einen Platz gefunden, wo mein Leiden bleiben kann und Stein sein, einfach sein kann und doch eigentlich, ja, nur noch ein wenig Weh nach Heim ist darin in meinem Sinn, das Weg lässt mit viel Ferne

Wo es singen darf und treiben mit dem Staub, Flug

Zeug, dem Verlieren, das klingen kann mit Sternen

während wir uns, von was auch immer

immer und wieder einander entfernen

dann atme ich das alles aus: Es sei


Ein Nest dem Erinnern, das warten kann

vom Morgen borgen, ein Haus mit unbekannten
hellen Zimmern und einem Ort für Stille und
das Ungesagte wird dem Schweigen zu eigen

Wort für ein gelebtes, hochbetagtes Lieben

Gerade so, als wären wir beide uns geblieben ...




Ludwig Janssen © 25.4.2023


Mittwoch, 12. April 2023

Schmunzeln, ein Wort

Gestern Nacht an
dich gedacht, du fern
am Himmel Stern an Stern
da sah ich ein Schmunzeln
funzeln, auch Gestirn, mein
Hirn, es zog mit ihnen, nur
dass du schmunzelst
und so, dem Wörtlein fein
gewogen und ja, auch jenen
die mit ihm zogen, durch jene
Nacht, in der ich an dich
gedacht, schmunzelst
und mit den Sternen funzelst
weder die Stirne runzelst, noch
eines Wortes poch, poch, poch
überhörst, dich an ihm störst
und Falten wirfst ...

Ludwig Janssen © 12.4.2023

Rolltreppe

Wieder war einer der Besonderen da. Wieder: berühren! Diese unvergleichlich feste und zugleich zarte Wärme lag ihrer Handleiste auf. Die Rolltreppe erschauerte. Doch einzig ihr Handleistenschlupfkontakt nahm das wahr und reagierte. Mechanisch. Der Mensch auf ihren Stufen spürte kaum mehr als ein Kribbeln. Für einen Moment schaute er auf den Handlauf und musterte die Stufe, die ihn empor trug. Was kümmert einen Menschen, was selbstverständlich gilt? Nichts, solange es läuft. Rund dazu, dachte die Rolltreppe. Leises Brummen stieg aus dem Maschinenraum auf, kratzte die Etagen des Kaufhauses hoch, schwoll zu Knarzen, Quietschen - dann tat es einen Schlag - die Rolltreppe stand. Der Hausmeister fluchte. Der Geschäftsführer fluchte. Der eilig herbei zitierte Monteur fluchte, sein Chef tippte das Angebot für ein moderneres Modell in seinen PC. Nicht einmal der Feinsinnige, der auf Stufe zweihundertdreiundsiebzig stand, ahnte, dass dieses Ding nichts weiter gemacht hatte als innehalten, etwas, das sie meisten Menschen um sie herum auf später verschieben und selten in dem Augenblick machen, wenns darauf ankommt. Er war schon längst zur Treppe hinunter und hatte das Haus verlassen. Bzzzzzzzzzzzzzzzzzz. Ohne das geringste Ruckeln lief das Band an. Ihr Handleistenschlupfkontakt meldete, dass sie etwas zurückhaltender sein solle. Kein Problem. Dieser opportunistische Klugscheißer. als ob man ihn behalten würde, wenn die Neue kommt. Vom großen Innehalten einen Moment abgezwickt für die Gegenwart. Die Rolltreppe glitt, wieder in sich rund, mit versonnenem Summen durch ihre letzten Tage. Vielleicht würde eine Geschichte daraus.


Ludwig Janssen © 8.7.2007

Samstag, 8. April 2023

Klangschalen

Manches, das wundersam klingt, schlägt irgendwer es an, ist in seinem Inneren hohl und in seinem Äußeren hart.

Ludwig Janssen © 3.4.2023

Donnerstag, 6. April 2023

Es war eimal

Verwundert, nicht verwundet, hab's
verwunden und doch, in manchen
Stunden sind es die Bänder, die
uns verbanden verlandende Seen
als wären sie nie geschehen, das
eine oder andere schwand zu
unbekanntem Land das Verlieren
der Spur deiner Füße darin schmerzt
wie Tritt auf Schritt.

Ludwig Janssen © 6.4.2023