Freitag, 15. April 2022

Als der Tod ...

Sie sagten mir, dass du im Sterben lägest. Nun sitze ich an deinem Bett und es ist still im Haus. Das geschäftige Treiben des Tages nahezu verstummt für die Dauer des Gottesdienstes. Deine Hand in meiner. Und die andere streicht mit der Vertrautheit verflossener Jahre das Haar aus deiner Stirn, hält dich sicher. Aus dem Lautsprecher die Karfreitagsliturgie. Sie erzählt von einem Moment ohne Gott und vom Sterben Jesu: "... und als Jesus in den Tod sank und der Tod sich in Jesus hinein senkte ..." Dein Atmen geht so ruhig. Keine Aussetzer und nichts von der Schnappatmung, von der man mir am Morgen erzählte. Ich schließe die Augen und lausche deinem Atmen nach. Ob darin von dem Abschied liegt, dem Aufbruch, von dem du mir erzählt hattest, dass du auf ihn wartest. Und als der Tod sich senkte, in Jesus hinein, als er sank und ertrank in dem unendlichen Lieben, das Jesus in sich trug, für diese Welt, für jeden einzelnen Menschen darin, da sah er ihn an. Aus großen, verwunderten, staunenden Augen sah der Tod in die Augen Jesu und mit dem brechenden Augenlicht des Gekreuzigten brach seine Macht. Vielleicht blieb dem Tod dieser verwunderte Blick und jetzt, da meine Augen geschlossen sind und meine Sinne deinem Atmen nachspüren, schaut er, besiegt, aus großen, staunenden Augen auch dich an in dieser Stunde stiller Versenkung. Auf Wiedersehen!



1 Kommentar:

:Ludwig hat gesagt…

Sie lebt noch immer und freut sich, wenn man sie besucht, ihre Hand hält und mit ihr singt. Ach, das Leben ... :)