Samstag, 27. Januar 2018

Wolken aus Sahnecreme und ein Junge wie eine Wolke

Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH



Mittlerweile war es Abend geworden. Milla spürte, wie auch in ihr Müdigkeit sich breit machte. Doch die Torte wollte sie noch fertig wissen. Der Boden für die oberste Torte war fertig und abgekühlt. Wie schmecken Wolken? Nach Vanille vielleicht? Nach Sahne? Milla erinnerte sich an eine Rockband aus der Zeit ihrer Eltern, Novalis. Deren Sänger hatte einen Liedtext geschrieben in dem es hieß, dass wer Schmetterlinge lachen höre auch wisse, wie Wolken schmecken. Milla hatte noch nie einen Schmetterling lachen hören. Selbst die Schmetterlinge, die sie im Bauch hatte, als sie ihren späteren Mann kennenlernte, hatten nicht gelacht, nicht einmal gekichert. Besoffen vor Glück waren die gewesen … Milla hielt inne … vor Glück? Nein, vor Glückseligkeit. Trunkene, lallende Glückseligkeit. ‚Schmetterlinge haben nichts zu lachen‘, ging es ihr durch den Kopf. Schmetterlinge lachen zu hören sei eine Vorstellung. Eine, die man sich selbst mache, eine Vorstellung , die man gäbe, sich und der Welt. Und nein, sie wollte der Welt nicht vormachen, was Glück ist. Das Lachen eines Schmetterlings – Fiktion. Nicht zu vergleichen mit einer kleinen, sehr weißen Wolke, die im Wind schwindet und ungeheuer oben mit dem Blau des Himmels geht. Stilles, flüchtiges Glück, wie ein Lächeln so fein und doch so nachhaltig, dass es in Erinnerung bleibt und … ‚Hm … auch Lachen geht und vergeht mit dem Wind‘, dachte Milla. Sie hing ihren Erinnerungen nach auf der Suche nach einem Moment, da der Anblick eines Schmetterlings ihr ein Lächeln entlockt hatte. Ein Lächeln, das seinen Ursprung tief in Millas Wissen um Glück und dessen Flüchtigkeit gehabt hatte und bei aller Flüchtigkeit zugleich Milla hoffnungsfroh gestimmt zurückließ. Hoffnung, bestärkt durch die Erneuerung des Versprechens steter Wiederkehr eines glücklichen Augenblicks. Eines Augenblicks Glück?

Ob Tarik noch schlief? Milla stellte ihre Arbeit für eine Weile hintan und ging ins Wohnzimmer, auf Zehenspitzen. Wäre um ein Haar über den kleinen Kater gestolpert, der noch immer schnurrend um ihre Beine strich. Tarik schlief. Hatte sich, eingemummelt in die warme Decke, auf die Seite gedreht. Milla dämpfte das Licht und nahm den Kater auf den Arm. Kraulte seinen Nacken und betrachtete den Schlafenden auf dem Sofa, der so unverhofft in ihr Leben getreten war und ihr doch so vertraut schien. Was wusste sie über ihn? Nicht wirklich viel. Tarik wirkte auf sie, als sei er reich an Wissen, autark - und das war unvereinbar mit seinem zarten Alter. Sicherlich, er hatte viel mitgemacht und war durch die gemachten Erfahrungen älter, reifer als andere Kinder seines Jahrgangs. Doch Kinder seines Alters entfernten sich kaum von ihren Eltern. Und welches Kind würde sich schon, nur, weil es einen leckeren Pflaumenkuchen gegessen hatte, auf die Suche nach der Frau begeben, die den Kuchen gemacht hatte, nur um ihr zu danken? Milla fragte sich, ob sie nicht lieber nach den Eltern des Jungen forschen und ihnen den Sohn bringen sollte. Vielleicht die Polizei fragen, ob er vermisst würde? Das hatte Zeit bis morgen. Tarik schien ohne Furcht. Tauchte auf, wann es ihm beliebte und verschwand ebenso unverhofft, als hätte der Wind ihn mit sich genommen. Der Wind. Milla hielt inne. Tarik - eine Wolke?

„Milla, jetzt fängst du an zu spinnen“ murmelte sie und machte sich wieder auf den Weg in die Backstube. Hatte den Kater abgesetzt und wusch sich die Hände. Nicht mit dem Wind war Tarik in ihr Leben getreten, als er, die Arme auf den Zaun gelegt, in ihren Garten geschaut hatte. Eher wie ein Schmetterling, einer, der den …

Milla eilte an den Arbeitstisch. Sie hatte eine Idee.

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