Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH |
Mittlerweile war es Abend geworden. Milla spürte, wie auch
in ihr Müdigkeit sich breit machte. Doch die Torte wollte sie noch fertig
wissen. Der Boden für die oberste Torte war fertig und abgekühlt. Wie schmecken
Wolken? Nach Vanille vielleicht? Nach Sahne? Milla erinnerte sich an eine
Rockband aus der Zeit ihrer Eltern, Novalis. Deren Sänger hatte einen Liedtext
geschrieben in dem es hieß, dass wer Schmetterlinge lachen höre auch wisse, wie
Wolken schmecken. Milla hatte noch nie einen Schmetterling lachen hören. Selbst
die Schmetterlinge, die sie im Bauch hatte, als sie ihren späteren Mann kennenlernte,
hatten nicht gelacht, nicht einmal gekichert. Besoffen vor Glück waren die
gewesen … Milla hielt inne … vor Glück? Nein, vor Glückseligkeit. Trunkene,
lallende Glückseligkeit. ‚Schmetterlinge haben nichts zu lachen‘, ging es ihr
durch den Kopf. Schmetterlinge lachen zu hören sei eine Vorstellung. Eine, die
man sich selbst mache, eine Vorstellung , die man gäbe, sich und der Welt. Und
nein, sie wollte der Welt nicht vormachen, was Glück ist. Das Lachen eines
Schmetterlings – Fiktion. Nicht zu vergleichen mit einer kleinen, sehr weißen
Wolke, die im Wind schwindet und ungeheuer oben mit dem Blau des Himmels geht.
Stilles, flüchtiges Glück, wie ein Lächeln so fein und doch so nachhaltig, dass
es in Erinnerung bleibt und … ‚Hm … auch Lachen geht und vergeht mit dem Wind‘,
dachte Milla. Sie hing ihren Erinnerungen nach auf der Suche nach einem Moment,
da der Anblick eines Schmetterlings ihr ein Lächeln entlockt hatte. Ein Lächeln,
das seinen Ursprung tief in Millas Wissen um Glück und dessen Flüchtigkeit
gehabt hatte und bei aller Flüchtigkeit zugleich Milla hoffnungsfroh gestimmt zurückließ.
Hoffnung, bestärkt durch die Erneuerung des Versprechens steter Wiederkehr eines
glücklichen Augenblicks. Eines Augenblicks Glück?
Ob Tarik noch schlief? Milla stellte ihre Arbeit für eine
Weile hintan und ging ins Wohnzimmer, auf Zehenspitzen. Wäre um ein Haar über
den kleinen Kater gestolpert, der noch immer schnurrend um ihre Beine strich.
Tarik schlief. Hatte sich, eingemummelt in die warme Decke, auf die Seite
gedreht. Milla dämpfte das Licht und nahm den Kater auf den Arm. Kraulte seinen
Nacken und betrachtete den Schlafenden auf dem Sofa, der so unverhofft in ihr
Leben getreten war und ihr doch so vertraut schien. Was wusste sie über ihn? Nicht
wirklich viel. Tarik wirkte auf sie, als sei er reich an Wissen, autark - und
das war unvereinbar mit seinem zarten Alter. Sicherlich, er hatte viel
mitgemacht und war durch die gemachten Erfahrungen älter, reifer als andere
Kinder seines Jahrgangs. Doch Kinder seines Alters entfernten sich kaum von
ihren Eltern. Und welches Kind würde sich schon, nur, weil es einen leckeren
Pflaumenkuchen gegessen hatte, auf die Suche nach der Frau begeben, die den
Kuchen gemacht hatte, nur um ihr zu danken? Milla fragte sich, ob sie nicht
lieber nach den Eltern des Jungen forschen und ihnen den Sohn bringen sollte.
Vielleicht die Polizei fragen, ob er vermisst würde? Das hatte Zeit bis morgen.
Tarik schien ohne Furcht. Tauchte auf, wann es ihm beliebte und verschwand
ebenso unverhofft, als hätte der Wind ihn mit sich genommen. Der Wind. Milla
hielt inne. Tarik - eine Wolke?
„Milla, jetzt fängst du an zu spinnen“ murmelte sie und
machte sich wieder auf den Weg in die Backstube. Hatte den Kater abgesetzt und
wusch sich die Hände. Nicht mit dem Wind war Tarik in ihr Leben getreten, als
er, die Arme auf den Zaun gelegt, in ihren Garten geschaut hatte. Eher wie ein
Schmetterling, einer, der den …
Milla eilte an den Arbeitstisch. Sie hatte eine Idee.
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