Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH |
Der Montag begrüßte Milla mit mildem Sonnenschein. Die
Morgen waren um diese Zeit bereits kühl und die Straßen des Dorfs atmeten um
diese frühe Stunde noch den Nebel, der in der Nacht vom See her aufgestiegen
war und das Pflaster benetzte.
Es dauerte nicht lang, da hatte Milla die Unterkünfte
erreicht, die man vor dem Dorf errichtet hatte. In fünf Wohncontainern waren
sieben Familien untergebracht worden, die dem Dorf über die verwaltende Stadt
zugeteilt worden waren. Proteste gegen diese Maßnahme waren nicht ausgeblieben,
doch war unklar, ob diese den Fremden galten oder der Verwaltung der nahe
gelegenen Stadt, deren scheinbarer Willkür die Dörfler sich nicht zum ersten
Mal unterworfen fühlten. Maßnahme und Menschen wurden jedoch gleichermaßen
abgelehnt und offensichtlich ignoriert. Man wich aus. Auf die andere
Straßenseite, auf ein anderes Thema. Überließ die Fremden den Sozialarbeitern
der Stadt, den Streifenpolizisten. Dem Wachdienst, der nach schockierend
menschenverachtenden Ereignissen andernorts auch für diese vergleichsweise
kleine Ansammlung so etwas wie Sicherheit gewährleisten sollte.
Ein paar Kinder spielten auf dem festgefahrenen Sand des
Vorplatzes der Container im Staub. Milla hielt inne und betrachtete sie aus der
Ferne. Jedes von ihnen ähnelte Tarik in Erscheinung und Auftreten, doch ihn
selbst konnte Milla nicht ausmachen.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Ein Mann war, ohne dass sie das bemerkt hatte, an sie
herangetreten. Milla wich zurück.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Milla fasste sich ein Herz: „Kennen Sie sich hier aus?“
„Ich betreue Flüchtlinge, auch die hier untergebrachten. Zu
Beginn kamen oft Leute aus dem Dorf her und gafften.“
„Da können Sie mir in der Tat weiterhelfen. Cremeso mein
Name, ich spendete unlängst ein Blech Pflaumenkuchen, Altkleider und
Spielsachen. Ich suche nach einem ungefähr sieben Jahre alten Jungen, Tarik,
der mich in meiner Konditorei besuchte …“
„Hat er ‘was ausgefressen?“
„Nein, um Himmels Willen, alles ist in Ordnung, ich …“
„Wie war sein Name?“
„Tarik.“
„Tut mir leid, da muss ich passen.“ Der Mann zuckte mit den
Achseln: „Hier gibt es keinen Jungen, der Tarik heißt.“
„Sie sind sich sicher? Ungefähr so groß“, Milla deutete es
an, “lockiges Haar, schwarze Augen und …"
„Diese Beschreibung passt auf viele der Flüchtlingskinder“,
fiel der Mann ihr ins Wort, „doch ich kenne alle bei Namen, die in diesen
Unterkünften hier hausen.“
„Und?“
„Ein Tarik ist nicht dabei.“
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