Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner & Gomez |
Ratur erblickte einen Mann, der in
einem von Licht gefluteten Atelier über ein Stück Papier gebeugt an einem Tisch
saß. Den Bogen weißes Aquarellbütten hatte er mit Klebestreifen auf der
Tischplatte fixiert und in unterschiedlich große Fenster eingeteilt. Unter dem
feinen Strich eines Bleistifts erstanden Striche, Linien, Konturen. Er
feuchtete das Papier an, dann griff der Mann zu einem Pinsel aus Marderhaar, feuchtete
auch diesen an. Nahm Farbe auf, Blau, dass die Zwischenräume der Haare des
Pinsels sich satt sogen daran. Kaum berührte er mit der Spitze des Pinsels das
feuchte Papier, begann die Farbe aus dem Pinsel heraus das Papier zu fluten,
floss die Fasern entlang, erfüllte sie, verlor sich im Weiß des Büttens und …
Kater?
Ratur schaute sich um, doch konnte er
den Kater nirgendwo entdecken. Wahrscheinlich imaginierte der gerade und war
nicht abkömmlich. Dann sah Ratur an sich selbst hinab und bemerkte, dass er in
Auflösung begriffen war. Er transzendierte, gerade so, wie es zuvor dem Kater
widerfahren war, als Ratur dessen Existenz in Frage stellte.
Kater?
Von irgendwo her eine Stimme:
Keine Bange, Ratur. Er imaginiert.
Dich. Da habe ich wenig hinzu zu tun und keinen Einfluss. Mag sein, dass er
auch ein wenig Kater imaginiert, dir zur Seite vielleicht, vielleicht auf
deinen Schoß – ich weiß es nicht.
Kater?
Nimm es hin, wie es kommt, wie es ist,
Ratur, du kannst eh herzlich wenig Einfluss darauf nehmen.
Wie kommt er dazu …
Er las von dir, imaginierte, und nun
vergegenwärtigt er dich, sich selbst und anderen.
Er vergegenwärtigt mich? Ich verliere
mich, siehst du das nicht? Wie kann ich da … sein?
Auch ich bin nicht, nicht hier.
Vielleicht werde ich noch mehr als eine Idee. Entspann dich, Ratur.
Das war leichter gesagt als getan.
Ratur sah sich transzendieren, seine Konturen lösten sich auf, derweil sah er
das Weiß des Büttenpapiers schwinden und wie es sich anfüllte mit Farbe und
amorphen Konturen.
Der Mann verließ den Tisch und ging
aus dem Zimmer. Von der offen stehenden Tür her hörte Ratur Wasser fließen,
Porzellan und einen Löffel darin klingen. Auf dem Tisch verdunstete das Wasser
aus der unter dem Streichen des Pinsels entstandenen Szene, das Papier trocknete
allmählich auf, die Farben verloren an Glanz, ihr Fließen kam zum Stillstand.
Der Mann kehrte zurück, griff wieder zu Pinsel und Farbe. Arbeitete die Szene
aus, fügte Farbe und Tiefe hinzu, lehnte sich zurück, betrachtete sein Werk und
blickte Ratur in die Augen, die er auf dem Papier hatte entstehen lassen.
Und der Kater?
…
Raturs Gegenüber hatte ihn zwar
imaginiert, vergegenwärtigt, sich selbst, doch auf Ratur Lites Fragen gab er
keine Antwort. Vielleicht konnte er ihn nicht hören.
Kater?
…
Kater! Wie geschieht mir? Was
geschieht mit mir?
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