Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH |
Ja. Wie ist das möglich, dass du im meiner Wohnung
auftauchst, dass du … sprechen …
Ich sagte es doch bereits, ich war da – und schon hier, als
du kamst!
Das ist nicht wahr!
Hm?
Warum soll ich dir glauben, dass …
Entschuldige bitte, lass uns das in der Wohnstube bereden,
dieser Flur atmet Durchgang, ist en passant, Kommen und Gehen, da zieht es mich
hinaus. Und außerdem zieht es.
Ein seltsames Paar ließ sich hinter der Fassade des alten
Hauses aus der Zeit des Jugendstils auf dem nachtblauen Sofa aus Plüsch nieder.
Ratur hatte sich zwar an die Gegenwart des Katers gewöhnt, doch erschienen ihm
dessen Auftreten und ihrer beider Unterhaltung surreal. Der Kater hingegen
machte es sich auf Raturs Schoß gemütlich, als sei nichts selbstverständlicher
auf dieser Welt. Schnurrte, schaute aus großen Augen zu Ratur auf und
eröffnete:
Dass ich hier bin, dass ich sprechen kann, erscheint dir –
unwahr?
Unwirklich, es ist unwirklich.
Ich wirke, Ratur, da kann ich nicht unwirklich sein.
Doch.
Ratur, was soll dieser kindische Trotz? Ich sitze da, du
siehst mich, wir reden miteinander, ich wirke auf dich, du wirkst auf mich. Ich
wirke in dir, du wirkst in mir. Wir sind wirklich, beide. Wir sind einander
wirklich, denn du wirkst mich und ich wirke dich. Dann sind wir auch wahr.
Das ist die Wahrheit? Das also soll die Wahrheit sein?
Die Wahrheit ist es nicht, Ratur. Die kann niemand erfassen,
niemand wissen. Ein kleiner Teil der Wahrheit ist es jedoch schon, unser
Wirken, unser Wirklichsein.
Du, Kater, meinst also, dass du in mir wirkst – und aus mir
heraus? Und dass dich das wahr macht.
Zu einem Teil der Wahrheit macht es mich, und ja, ich bin
wahr.
Und wenn ich dir sage, dass es keine sprechenden Katzen
gibt?
Schweigen. Der Kater blinzelte Ratur an, leckte sich die
Pfote und fuhr sich damit übers Köpfchen, schaute auf und:
Miu!
Aha! Und wenn ich dir sage, dass ich keine Katze habe und
sich auch keine Katze in meiner Wohnung befinden kann? Weil ich keine Katze
besitze, keinen Kater und auch keine Katze durch verschlossene Türen und
Fenster in den dritten Stock eines Stadthauses gelangen kann?
Gebannt blickte Ratur auf die Katze auf seinem Schoß, deren
Orange verblasste. Das milchige Weiß des Bauches schien auszulaufen, ergoss
sich über die Gestalt des Katers. Die gesamte Erscheinung der Katze wurde von
zunehmender Transparenz erfasst. Sie schwand dahin.
Warte! Wo willst du hin? Das, das …
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