Mittwoch, 23. Januar 2013

Über das Omatidium, eine Florfliege, Gott und einen Schatz

Ein Omatidium, das ist ein Einzelauge, aus dem sich auch die Facettenaugen zusammensetzen, wie wir sie von Insekten kennen.
Deren Sicht der Dinge setzt sich also aus vielen Einzelinformationen zusammen, die von bis zu 56.000 Einzelaugen übermittelt werden. Eine große Anzahl auf den ersten Blick, jedoch verschwindend klein, wenn man bedenkt, dass die Anzahl an Photonen nie gemessen oder berechnet werden kann (siehe Heisenberg) – sicherlich selbst auf die geringe Fläche eines Omatidiums (0,001 mm²) bezogen jedoch bedeutend höher liegen wird als 1. Und das, was wir (oder halt Insekten) sehen, ist nichts weiter als eine gewaltige Menge von irgendwelchen Dingen reflektierte Photonen, die an geeigneten Rezeptoren zu elektrischen Impulsen umgewandelt wurden. Zeitverzögert. Wir nennen es „gegenwärtig“, stellen deart ahnungslos den Bezug zu „Gegenwart“ her – und stützen uns dabei auf Vergangenes. Typisch. Da brauche ich nicht Heisenberg, um Unschärfe ausmachen zu können.
Charakteristisch für Einzelaugen ist, dass sie nur einen winzigen Aspekt erfassen können, diesen je nach Bauart und Lichtstärke mehr oder weniger scharf. Das Sehen, folglich auch das Einsehen eines Einzelauges, beschränkt sich auf einen winzigen Ausschnitt dessen, was ist, kluge Menschen werden wohl eher sagen dessen, was wahrnehmbar ist. So Gott, oder, ach, belassen wir es beim Universum, nun die Menschen erschaffen haben sollte bzw. ihr Entstehen aus Zufälligkeiten zuließ, um sich selbst betrachten zu können, beschränkte es sich auf - und die Menschen durch - einen winzigen Aspekt, den sie wahrnehmen können, erkennen, jeder für sich. Sie nennen es Wahrheit. Fraglich ist, ob sie sich damit auf ihre omatidische Sicht der Dinge beschränken können oder sie als Erkenntnis anderen aufschwatzen.
Gott also mit einem „Blick auf die Welt“, der dem einer Florfliege, einer Libelle entspricht?
Kaum, aber das anzudenken gefiel mir, erst recht der Gedanke, den einzelnen Menschen als Omatidium eines kollektiven Erkennens dargestellt zu haben, welches keine Ahnung von der einzelnen Omatidie hat, jedoch von dem einen oder anderen Omatidium vollmundig beschworen  wird. Wird doch deutlich, wie wenig jeder einzelne erkennen kann und wie wenig er von dem erfährt, was sich weit vor ihm und weit hinter ihm, dem Omatidium solum, zuträgt.
Beim Verfassen von Texten verhält es sich eigentlich nicht anders. Nur, dass sich hier das mit dem Omatidium, dem Facettenauge umkehrt. So fällt das Licht, die Ausleuchtung eines Gedankens, einer Szene durch die Omatidien, die der Verfasser, Ausdenker, Schöpfer dem Text mit auf den Weg gibt: Wörter. Jedes ein Omatidium für sich, je mehr Omatidien, je sinnvoller und, mehr noch, sinnstiftender sie angeordnet sind, umso reicher der Wortschatz des Textes. Umso facettenreicher, komplexer, ja, klangvoller sein Bilderwurf.
Hm. Dann, in der Tat, sind manche Texte Florfliegen, mit deren Schilleraugen zumindest, glasigen Flügelchen und … hm… Andere wieder Krebse, Glühwürmchen … bis hinunter zu Nacktschnecken.
Und ihre Autoren? Tja (und ach, lassen wir das), kommt auf deren Wortschatz an, der Wortschatz der deutschen Standardsprache umfasst ca. 75.000 Wörter*, wie sie ihn anzuordnen vermögen, welche Absicht sie verfolgen … manchen Texten reicht die Omatidienzahl einer Spinne, und, so sei betont, das nicht, weil sie verdichtet sind, sondern lediglich ausgezeichnete Fliegenfänger. Fliegen hinwiederum haben Facettenaugen, diese mit einigen tausend Omatidien, Wörtern – also dementsprechend verschwendetem Wortschatz.

Mir genügt, einige wenige Florfliegen mit Schilleraugen und Netzflügelchen geschaffen und in die Welt entlassen zu haben, Hafte allesamt, dem einen anhaftend, dem anderen Zauberhaft, anderen, Teflons und solchen, die es nicht können, wieder nicht … sind doch alle, mich wie jedes Wort eingeschlossen, nicht mehr als Omatidien, Äugelchen.
* = http://de.wikipedia.org/wiki/Wortschatz]Wortschatz auf Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Facettenauge]Facettenauge auf Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Florfliegen]Florfliege (Hafte) auf Wikipedia

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