Samstag, 12. März 2011

Herr Schalupke und das Huhn

Vertraute Dinge bergen Surreales.

Herr Schalupke trägt sein Huhn spazieren. Kommt morgens aus der Haustür, das Huhn unterm Arm, zieht die Tür leise ins Schloss und schließt ab. Geht zum Bahnhof, zeigt dem Huhn den Intercity und den Güterzug, lässt es ein wenig durch die Bahnhofshalle laufen, nimmt es wieder unter den Arm und geht zurück. Lupft den Hut, grüßt freundlich im Vorübergehen, zieht das Gartentor hinter sich ins Schloss, geht ins Haus, setzt das Huhn auf den Tisch und wartet. Dauert nicht lange, dann legt das Huhn ein Ei, ein grünes. Herr Schalupke nimmt es dann vom Tisch und trägt es unter dem Arm in sein Zimmer, also das Zimmer des Huhns. Es ist das hellste Zimmer des Hauses, weil Herr Schalupke drei Wände aus starkem Fensterglas machte und das Dach, das Dach ist ein Schiebedach, ebenfalls aus Glas. Das Huhn tippelt dort über den Rasen, den Schalupke auf dem Lehmfußboden angelegt hat, pickt hier ein Hälmchen, dort ein Körnchen und plustert sich wohlig im Sand. Währenddessen kocht Herr Schalupke das frische Ei und frühstückt. Geht dann aus dem Haus, das Huhn unterm Arm. Ein blaues Huhn. Blau wie eine Regenwolke. Herr Schalpuke trägt sein Huhn auf den Hügel hinterm Haus, von dem aus kann man das Land ringsum gut einsehen. Den Tag verbringen die beiden auf dem Hügel, das Huhn pickt sich hier ein Hälmchen, dort ein Körnchen, Herr Schalupke schaut den Zügen nach. Manchmal ist das umgekehrt.

Aber noch nie sah jemand das Huhn abends Herrn Schalupke unterm Flügel heimtragen und ins Glaszimmer setzen, wo er auf seinen Schlafbaum flattert, den Kopf unter den Arm steckt und einschläft.


Ludwig Janssen © 20.7.2010


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