Mittwoch, 12. April 2023

Rolltreppe

Wieder war einer der Besonderen da. Wieder: berühren! Diese unvergleichlich feste und zugleich zarte Wärme lag ihrer Handleiste auf. Die Rolltreppe erschauerte. Doch einzig ihr Handleistenschlupfkontakt nahm das wahr und reagierte. Mechanisch. Der Mensch auf ihren Stufen spürte kaum mehr als ein Kribbeln. Für einen Moment schaute er auf den Handlauf und musterte die Stufe, die ihn empor trug. Was kümmert einen Menschen, was selbstverständlich gilt? Nichts, solange es läuft. Rund dazu, dachte die Rolltreppe. Leises Brummen stieg aus dem Maschinenraum auf, kratzte die Etagen des Kaufhauses hoch, schwoll zu Knarzen, Quietschen - dann tat es einen Schlag - die Rolltreppe stand. Der Hausmeister fluchte. Der Geschäftsführer fluchte. Der eilig herbei zitierte Monteur fluchte, sein Chef tippte das Angebot für ein moderneres Modell in seinen PC. Nicht einmal der Feinsinnige, der auf Stufe zweihundertdreiundsiebzig stand, ahnte, dass dieses Ding nichts weiter gemacht hatte als innehalten, etwas, das sie meisten Menschen um sie herum auf später verschieben und selten in dem Augenblick machen, wenns darauf ankommt. Er war schon längst zur Treppe hinunter und hatte das Haus verlassen. Bzzzzzzzzzzzzzzzzzz. Ohne das geringste Ruckeln lief das Band an. Ihr Handleistenschlupfkontakt meldete, dass sie etwas zurückhaltender sein solle. Kein Problem. Dieser opportunistische Klugscheißer. als ob man ihn behalten würde, wenn die Neue kommt. Vom großen Innehalten einen Moment abgezwickt für die Gegenwart. Die Rolltreppe glitt, wieder in sich rund, mit versonnenem Summen durch ihre letzten Tage. Vielleicht würde eine Geschichte daraus.


Ludwig Janssen © 8.7.2007

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