Mit freundlicher Genehmigung durch Rittiner&Gomez, Spiez, CH |
Milla Cremeso zog die Ladentür hinter sich ins Schloss. Mit
allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit, dass es in den Notunterkünften am
Rande des Dorfs keinen Tarik gab. Gab … geben sollte? War der freundliche
Sozialarbeiter der Stadt vielleicht nur schlecht informiert?
Ruhetag. Und doch keine Ruhe. Dazu noch der zu erfüllende Auftrag,
und der Termin der bevorstehenden Verlobung war nicht mehr weit. Betrübt machte
Milla sich auf den Weg in ihre Backstube. Dort herrschte Ordnung. Alles
blitzeblank, alles an seinem Platz. Das Weiß der Arbeitsplatte lud Milla ein,
den ersten Wurf ins kreative Tüfteln zu tun. Sie trat heran, griff sich Mehl,
Eier, Rührschüssel und Mixer, Zucker, Vanillin, Backpulver, Speisestärke, das
Salztöpfchen. Einen Anfang machen, beginnen, dann würde sich alles Weitere
ergeben.
Alles Weitere ergeben. Beginnen. Milla konnte sich an kein
Rezept erinnern, in dem von Tortencreme aus Pflaumen die Rede gewesen war. Blechkuchen
mit Pflaumen – die Rezepte waren Legion. Beginnen … innen sah es ganz anders
aus. Ob sie nicht besser doch allein zu den Fremden gegangen wäre, nachgefragt
hätte? Warum nur hatte sie nicht den Weg über die Straße genommen? Hin zu den
Wohncontainern. Die letzten Meter gehen, die letzten, die letzten? Die letzten
Meter eines Irrtums hin zu einer Enttäuschung. Einer Selbsttäuschung,
vielleicht, der sie, Milla, aufgesessen war.
Der Tortenboden aus Biskuitteig entstand wie nebenher und
wölbte sich im Backofen wie ein atmendes Tier der Vollendung entgegen.
Pflaumen, wir sind doch keine Pflaumen! Die junge Frau hatte sich vehement
gegen diesen Vergleich verwehrt. Wehr. Was war bedrohlich an einem Vergleich
mit Pflaumen? In China, so hatte Milla gelesen, galt der Pflaumenbaum als Baum
der Erkenntnis. Und im vorderen Orient sollte, las sie, die Pflaume symbolisch
für Unberührtheit stehen und sogar als Glückssymbol gelten. Die im Kulturkreis
der jungen Frau abwertende Zuschreibung Pflaume für einen Menschen mochte hier
Auslöser sein für die heftige Abwehr.
Der vordere Orient, also auch Syrien, also auch Tarik. Wo
mochte der Junge nur stecken, und, das bedrängte Milla noch viel mehr, wie
mochte es ihm ergehen, jetzt, irgendwo da draußen? Pflaumen. ‚Milla, reiß dich
zusammen‘, dachte sie und versuchte, sich auf den Auftrag zu konzentrieren. Die
Creme! Die sollte eine mit Pflaumen sein. Und doch, nein, lieber keine Stücke,
keine Fasern. Aber wie? Und überhaupt, so, wie sich die junge Frau dermaßen zur
Wehr gesetzt hatte gegen die Pflaume als zentrales Thema der Torte, die nicht
nur dem Geschmackssinn des Paares, sondern auch jedem unbeteiligten Gaumen das
Bild der jungen Liebe wachrufen sollte. Dürfte sie, Milla, das ignorieren?
‚Tarik ist jetzt irgendwo da draußen. Vielleicht braucht er meine Hilfe‘. Tarik,
er hatte ihr zugehört. Ohne Vorbehalte. Hatte gelten lassen, was sie an Bildern
zu ihren Torten entwarf. Milla stieg in den Keller hinab und holte sich ein
Glas eingeweckte Pflaumen, gab den Inhalt in einen Topf, erwärmte die Pflaumen
und passierte sie durch ein Sieb.
Der Duft süßer Pflaumen erfüllte den Raum. Sommer,
Spätsommer. Blauer Himmel. Der Wind wispert im Laub des alten Baumes, eine
jugendliche Milla kostet eine reife Pflaume und spürt den Saft der süßen Frucht
ihr Kinn hinabrinnen.
„Etwas mit Pflaumen?“
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