Ein Stern war
ihnen erschienen, eigentlich ein Stern nach dem anderen. Dem einen auf dem
Heimweg vom Büro, als er die Hauptstraße passierte, der anderen, als sie abends
vom Parkplatz des örtlichen Discounters auf die Hauptstraße abbog und dem Jüngsten
der drei auf dem Weg in die Schule, ebenfalls auf der Hauptstraße, über der
alljährlich um diese Zeit nach Einbruch der Dunkelheit Sterne aus 20-Watt-Birnen
weihnachtliche Stimmung zwischen Autoscheinwerfer, Nieselregen und Streusalz
funzelten.
Über dem
Stall, in dem sie den König vermuteten, stand kein Stern, jedenfalls kein
guter. Die Eingangshalle empfing sie mit gedämpftem Licht. Leise pfeifend schob
eine Schiebetür sie hinein und schloss hinter ihnen diese Welt ab.
„Guten
Abend!“
Ein Engel in
geringeltem Nachthemd schwebte vorüber, lächelte verlegen und entschwand.
Er duftete ein wenig nach Äpfeln und Nüssen.
Er duftete ein wenig nach Äpfeln und Nüssen.
„Guten
Abend!“
Eine junge
Frau in Weiß war dem Engel gefolgt, hielt inne und breitete ihnen die Hände
entgegen:
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Nein,
danke, wir wollten nur unseren Vater …“
„Opa!“
„ … besuchen. Wir kennen den Weg.“
„Opa!“
„ … besuchen. Wir kennen den Weg.“
Nun, den Weg
zum Zimmer des Vaters kannten sie schon, fanden den Weg, fanden das Zimmer, den
Vater jedoch …
Einen alten
König fanden sie. In Windeln gehüllt, die Socken schlackerten um die Knöchel.
Er hatte sich zurückgezogen in einen Sessel, in sich selbst, und schaute aus
dem Fenster.
„Papa …“
Der alte
König schaute aus dem Fenster, noch immer, als sie ihm in die Augen sahen, ihn
anlächelten, in den Arm nahmen und ansprachen mit Titeln, die sich schon lange
aus seinem Erkennen verloren hatten. Die Wärme ihrer Umarmungen war angenehm,
ihr Lächeln ein freundliches und der Tonfall ihrer Worte entspannt und
warmherzig.
Ein schönes Gefühl.
Er … lächelte.
Ein schönes Gefühl.
Er … lächelte.
Sein in die
Ferne gerichteter Blick löste sich und fand ihre Gesichter. Nette Menschen. Sie
verströmten ein altvertrautes Gefühl aus Kindertagen. Aus einer Zeit, als er,
des König-Seins müde, sich in die Arme seiner Mutter legen und, wohl geborgen,
die Augen schließen konnte.
„Vater …“
„Vater …“
Wen auch
immer sie damit meinten, solange sie nur blieben. Vater war nicht da, war im
Krieg.
Eine Weile
blieben sie noch, brachten ihre Gaben dar und warteten auf ein Dankeschön. Er
schenkte ihnen seine Aufmerksamkeit. Das bisschen, das ihm noch gelang. Mit
einem Lächeln und seinem Blick in dem ihren.
Als die drei
Weisen sich auf den Heimweg gemacht hatten, lief ihnen ein wenig von der
Traurigkeit den Rücken hinab, die sie im Stall vermutet hatten, da der König
lag und bald die Augen schließen würde. Oder war es Unbehagen? Der kleinste der
Weisen jedoch hüpfte voran, wandte sich um und:
„Ich habe Opas Hand gehalten, und er, er hat meine gedrückt und gestreichelt - wie immer. Wie immer! Und jetzt, jetzt kann von mir aus Weihnachten werden!“
„Ich habe Opas Hand gehalten, und er, er hat meine gedrückt und gestreichelt - wie immer. Wie immer! Und jetzt, jetzt kann von mir aus Weihnachten werden!“
Drei Weise
wandten sich dem Morgenland zu, in dem morgen der zweite Weihnachtstag
anbrechen würde.
Ein müde und
klein wirkender König schaute aus dem Fenster und spürte dem Wohlbehagen nach,
das drei Reisende ihm beschert hatten.
Über seinem
Stall stand ein Stern, ein guter.
Ludwig
Janssen © 15.12.2015
7 Kommentare:
Gänsehaut, Ludwig.
Ich habe eine Gänsehaut, die mich noch lange nicht verlassen wird.
Auf deine unnachahmliche Weise rührst du Herzen an, sentimental und auch wieder nicht.
Mein Herz. Ich liebe diese Geschichte. Danke dafür!
Frohe Weihnachten wünsche ich dir, Ludwig!
Llu ♥
Danke schön! Auch dir besinnliche und gemütliche Festtage! :)
Ludwig, eine bedrückend schöne Geschichte!
Mögen wir von der Alte-Königs-Krankheit verschont bleiben! Mindestens im neuen Jahr. Das ist doch ein frommer Wunsch. Und frohe Weihnachten auch!
Bess
Beeindruckend und wunderschön.
Liebe Grüße
Carola
Danke schön! Euch beiden eine friedvolle Zeit zum Fest und zwischen den Jahren. :)
Ich bin über das Blog vom Kräuterfrala hier gelandet!
Was für eine berührende Geschichte, einfach nur wunderschön und nachdenklich machend. Danke schön dafür!
Herzliche Grüße und ein frohes neues Jahr dir
Regina
Danke schön und ein gesundes neues Jahr!
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