H...hah.
Hm?
Mrh.
Hm?
Ach ...
Wollte wohl nicht so recht mit der Sprache rausrücken. Was
ich bedauerte, schließlich erlebt man nicht alle Tage, dass ein Teebeutel
überhaupt ...
Watzlawick. Irgendwer wälzte diesen Felsen vom Grab der
Kommunikation, dass man nicht nicht ...
... dieser Felsen rollt übrigens seither unablässig bergab
und fräst sich durch die Reihen derer, die einfach in Ruhe gelassen werden ...
Also galt das auch für diesen Teebeutel. Er wirkte
derangiert. Hatte ein heißes Bad genommen und dies nicht unbeschadet
überstanden.
Na?
Hm.
Ging wohl heiß her, hä?
Keine Reaktion. Der Teebeutel hing schlaff vor sich hin, zu
seinen Füßen ein braunes Pfützchen, das sich in Küchenpapier verlor.
Wahrscheinlich war er traurig, depressive Verstimmung.
Hey, Teeeeebeutel!
Nichts. Heimweh. Ja, wahrscheinlich Heimweh. Nach Lord
Nelson vielleicht oder Lidl. Ach, Quatsch, Lord Nelson war sicherlich sein
Name, schließlich stand das auf seiner Visitenkarte: "Lord Nelson"
und dann war da noch eine stilisierte Uhr mit dem Aufdruck "6 min."
Oh, Sie sind adlig?
Schweigen.
Dann stammen Sie wahrscheinlich gar nicht aus Lidl, sondern
kamen von viel weiter her?
Jetzt seufzte der Teebeutel.
Haben Sie Heimweh?
Schweigen.
Klar hatte der Heimweh! Auf der Packung war seine Heimat
abgebildet: Orangefarbene Hügelketten, die sich am Horizont verlieren, eine
riesige, für irdische Verhältnisse viel zu große Sonne geht dort unter, strahlt
helles Gelb und eine Ahnung von Apricot aus, färbt den Himmel seines Planeten orange
... Ein schönes Land, dieses Rooibos Vanille, dachte ich so bei mir.
Er tat mir leid.
Na, Herr Nelson? Tut mir leid, dass hier gerade Winter, der
Himmel grau und das Land verschneit ist.
Nichts.
Herr Nelson?
Nichts.
Mir fiel auf, dass die Pfütze das Küchenpapier hellorange
färbte, was der Farbe des Himmels seiner Heimat Rooibos Vanille entsprach. Ausdrucksstark
feinfühlig: Ein Künstler! Eine verwandte Seele! Ein Freund. Ein Freund in Not!
Nelson, Nelson!
Nichts.
Lord Nelson lag in sich zusammengesunken auf dem
Küchenpapier, himmelte es orangen und schwieg. Ich verstand ihn gut, konnte
nachfühlen, was in ihm vorgehen musste. Lord Nelson war einsam, das stand
eindeutig fest. Das Teeige in ihm, sein Innerstes, war verklumpt,
wahrscheinlich eher wegen des Heimwehs als durch das heiße Bad, das ihm nicht
bekommen war ...
Ich fühle mit dir, Nelson, ich darf doch Du sagen, hm?
Schweigen.
Watzlawick.
Schweigen.
Schweigen, Watzlawick und Schweigen. Das war alles, was
außer Lord Nelson und mir den Raum mit Gegenwart erfüllte.
Oh!
Siedenheiß durchfuhr mich die Erkenntnis, dass ich Lord
Nelsons Badewasser getrunken hatte! Sein ganzes Heimweh, seine Schwermut, seine
Heimat, sein Orange ... waren darin gelöst in mich hinein ...
Oh! Ich ...
Ich wars, der Lord Nelson zu heiß gebadet hatte, ich! Ich
wars, der ihn - vielleicht aus einem Traum gerissen hatte, einem Traum, in dem
er wieder an seinem Busch in Rooibos Vanille vor sich hinblätterte,
gedankenverloren, ohne Arg vor den knabbernden Antilopen Rooibos-Vanillaniens,
von orangener Abendsonne umschmeichelt, eine kleine vanillegelbe Raupe auf dem
Rücken ...
Oh, mein lieber, lieber Nelson, was habe ich dir angetan!
Schweigen.
Ich wollte ihn trösten, war bereit, alles wiedergutzumachen,
was ich ihm angetan hatte, reute mich sehr. Ich griff nach Lord Nelsons nasser,
in sich zusammengesunkener Gestalt auf dem Küchenpapier ...
Er war schon kalt.
Ludwig Janssen 12.3.2010
1 Kommentar:
Ludwig! :D
Sowas fällt auch nur dir ein! Schön!
Zum Glück trinke ich nur die Quintessenz einheimischer Kräuter. Was denskt du, wie die quasseln ... ♥
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