Samstag, 10. Mai 2008

Tastatur: Nomen est Omen


Erotik ist etwas für alte Männer und junge Frauen, ist Phantasie, und Phantasie ist zum Glück haltbarer als Jugend, ist verspielt und spielt sich im Kopf ab - und meiner Phantasie steht heute nichts mehr im Weg.

Nicht heute Nacht, wenn ich …

Ja, wenn …

Meine Fingerspitzen, - wusstest du, dass in jeder Fingerkuppe 700 Spezialisten für Berührung an der Rezeption sitzen? - also mein Fingerspitzengefühl tippelt KLICKEDIKLICK über die kleinen grauen Kiesel der Tastatur vor mir, von denen nicht ein einziger Nerven hat, sondern nur Kontakt. Da sind also gerade 7000 unterwegs, die suchen dich und schottern mit den kleinen Kieseln nicht die knirschenden Kieswege der Literatur, Diplomarbeiten und Steuererklärungen, die sind jetzt unterwegs zu dir, das klingt ein wenig wie Regen, Regentropfen, in böigen Schauern an Fensterglas geworfen. Leerzeichen klackern wie aus dem Wasserhahn getropft, Fragezeichen sind Zweitöner, Klick-Klick, für die brauche ich immer noch die kleine Taste auf der linken Seite dazu, die mit dem kleinen erigierten Phallussymbol, die alles groß macht und steif, die Taste zwischen Strg-Tanga und der Feststelltaste, von der stelle ich fest, dass wir für sie keinen Bedarf haben, noch nicht, wir haben uns nichts in GROSSBUCHSTABEN an den Kopf zu werfen, noch nähern wir uns an und das geht schon lange so, ja, sicherlich taugte sie auch für JA! - trotzdem ist mir die größere Taste rechts mit dem genauso kleinen Phallussymbol zu nah am Bindestrich und an Delete.

Auf meiner Tastatur Beziehungsregenschauer, Mairegen auch winternachts, der dir gleich und unmittelbar über die Haut rieselt, kleine schwarze Vögel, Klangboten, werden Worte, Worte werden, sind Orte, wie gesagt 7000 Gefühlsrezeptoren über elektronischen Kontakten unterwegs auf schnurloser und am langen Ende vielleicht spurloser Verbindung – ich weiß nicht, wie sie dich erreichen und ob du auf deiner Haut fühlst, was sie fühlen, wie behutsam sie sind und …

Natürlich kannst du nicht fühlen, was ich fühle, wir Menschen sind zu Einzelhaft verdonnert, die eigenen fünf Sinne, da kommen wir nicht mehr raus, oder?

Ich kann nur versuchen, mich dir nah zu fühlen, taste mich an dich heran, dabei ist Schreiben ganz anders als Zuhören. Hätte ich dir nicht zugehört, wüsste ich nicht, wie sehr du das All liebst, wie viel mehr du von den Sternen weißt und wie viel Wunderbares für dich in der liegenden Acht eingeschlossen schläft und sich träumt.

Ich bilde mir ein, dich zu ertasten über die Tastatur, nomen est omen, füge die kleinen schwarzen Vögel zu Schwärmen, Phantasie beflügelt und macht übermütig, ich könnte dich auch mit geschlossenen Augen

Wrgs Pux 1 % - ne, geht doch nicht -

Aber Hauptsache, du lächelst jetzt, vielleicht kicherst du sogar, so komme ich dir über die Tastatur näher, als ich es über die Haut je könnte, du fühlst, dass ich eigentlich …

Nein, du fühlst dich, und das wieder ist wie „zugehört werden“ mit mir unter deiner Haut, irgendwo im Bauch, wo gerade dein Zwerchfell hüpft und dein Herz bubbert.

Unsere Lieblingstaste soll die mit der Acht sein, die berühre ich achtsam zweimal, mit den 700 im Zeigefinger, weißt du, später nehme ich auch die Taste mit dem kleinen Du-weißt-schon-Symbol hinzu und nur du weißt, wie intim und vertraut diese Taste mit der Acht dann wird, der erotischste Kiesel der Tastatur. Alles im Fluss, Elektronen unterwegs, im PC hier, später bei dir und da impulsen sie sich durch dein vegetatives Nervensystem, wenn du die 88 siehst, zwei aufrechte geschlossene Unendlichkeiten symbolisieren sich ganz nah aneinander, sind sich gleich und eng zusammen, da ist schnurz, wie unendlich weit weg du jetzt bist, meine Gefühlsrezeptoren sind schon ganz wuschig, überall, jetzt nehme ich die Taste mit dem phallischen Pfeil dazu und (siehst du?) zwei runde Klammern kuscheln sich wie Löffelchen … (( … symbolisieren uns beide am Strand unterm Sternenhimmel.

Der erotischste Kiesel ist der mit der Acht und der Klammer, von meiner Tastatur her klickern Regentropfen an Fensterglas und Schauer lesen sich dir vom Monitor her tief unter die Haut.

Ludwig Janssen © 6.3.2008
 
KURZFASSUNG für den Poetry-Slam in Regensburg am 8.3.2008 (im Rahmen des "United Comedy"-Festivals Regensburg)

Nachtrag: Bedauerlich, dass ein paar junge Leute in 88 nur HH sahen und nicht frei genug waren, sich auf die aufrechte liegende 8 als "Symbol für Unendlich" einlassen zu können ...

Auf der Bühne mit: Bumillo, München; Frank Klötgen, Berlin; Spoken-Word-Legende Bas Böttcher, Berlin; Nadja Schlüter, Berlin; Gauner, Berlin und dem Berliner Slam-Urgestein Wolf Hogekamp; Anatol, Regensburg; Philipp Graf, Regensburg . Toller Abend!

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