Sonntag, 21. September 2014

Geschichten aus Goldfischglas

Hin und wieder ticken Ein-Mann-Goldfischgläser aneinander. Dann berühren sich ihre kugeligen gläsernen Bäuche für einen Augenblick und das Wasser in ihnen schwippt. Schwippt nur, denn würde es schwappen, gäbe es Pfützen oder, äußerst selten, Wasser könnte vom einen Glas ins andere gelangen.
 
In der Regel jedoch schwippt es lediglich. Da ist zum einen die Erschütterung durch das Anticken, die zittert sich in Stoßwellen durch Gefäß und Wasser, kräuselt die Oberfläche ein wenig und erledigt sich von selbst, zum anderen schwippt das Wasser wegen der Bewegungen, mit denen der jeweilige Goldfischglasträger sich um sein Gleichgewicht müht.
 
Der Goldfisch selbst hört es ticken, spürt, dass das Wasser sich bewegt. Verschwommen sieht er das sich entfernende Zerrbild eines Goldfischglases. Das alles merkt er sich, manchmal schreibt er es auf.
 
Selten sehen die Fische einander im anderen Glas, zumeist höchstens ein Glitzern, und selbst das könnte schließlich ihr eigenes sein, meinen die Fische, Spiegelung.
 
Sie sind auch viel zu beschäftigt, sich im Schwippen des Wassers ihrer selbst zu vergewissern: Rückkehr in den Einklang mit dem sich selbst erhaltenden Gleichgewicht.
 
Erzählt also ein Goldfisch davon, dass ein Goldfischglas an sein eigenes tickte, wird sich in seiner  Geschichte alles um ihn selbst drehen, wird alles passend zum eigenen Glas, ist das eigene Glas. Selbst, wenn Wasser überschwappte. Fremdes Wasser wird nicht, es ist eigenes, und etwaige Pfützen trocknen außerhalb eines Goldfischglases unweigerlich auf.
 
Erzählt also ein Goldfisch, gibt es nur diesen Goldfisch und sein Goldfischglas, mit Wasser darin, das schwippte.
 
Dabei ist alles ganz anders und nichts wie vorher, aber was macht das schon, wenn es nur um ein Goldfischglas geht? Da steht also ein Text über zwei Goldfischgläser mit ihren Piloten - doch eigentlich geht es in diesem Text nur um ein einziges Goldfischglas und seinen einsamen Piloten.

So ist das eben mit Goldfischgläsern.

 
Ludwig Janssen © 3.1.2008

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