Mittwoch, 20. November 2013

Ein Maulvoll Held

Poetry-Slam. Zum Sieg braucht man Applaus. Zum Applaus braucht man Lacher, denn die meisten sind eher betrunken als nachdenklich. Konsumhaltung Lustig. Ein-, zweimal Jesus die Kappe vom Kopp hauen oder Gott in den Hintern treten, einen Gott, den die meisten der Zuhörer für eine Figur im Kasperletheater halten, quasi eine Art weißes, bärtiges Krokodil, dem der Kasper eins mit der Klatsche gibt.

Bin mir uneins, an was es liegen mag, dass von solchen Gottlästerern und Jesus-Bashern viel zu lesen ist. Zumal unklar ist, ob sie leugnen, wen sie lästern oder ablehnen, ob sie kennen, was sie ablehnen. Also, ob sie Gotteslästerer sind oder schlicht Gott-Lästerer. Mit dem Wort, mit dem Wort Gott springen sie um, weils ihnen nicht viel mehr ist als das, ein Wort. Doch … was ist mit Allah? Dem Wort. Mit Mohammed? Wird der nicht abgelehnt?

Nein, mit Allah scheint nicht gut Kirschen essen zu sein, dem klaut man keine Äppel aus dem Garten, und selbst Leute, die jeden Sonntag Jesus vom Kreuz reißen, reißen keine Witze über Allah, über den Propheten Mohammed, den Propheten Isa ibn Maryam, der ja eigentlich nicht gekreuzigt wurde. Oder etwa doch? Was Toleranz angeht, eigentlich auch den Respekt vor dem Andersdenkenden, den anders Denkenden gibt’s ja nicht, so scheint es keinen Unterschied zu machen, ob man es mit einem glühenden Verehrer Gottes zu tun hat oder mit einem, der Gott, eigentlich eher jegliche Religion, ablehnt.

Amüsant ist, dass die Jesus-Basher und Gott-die Kappe-vom-Kopp-Klopfer sich gerade an den Memen festkrallen, die Nachsicht, Versöhnung und Liebe leben wollen und sich dezent zurückhalten gegenüber solchen Memen, die auch gleich mal den Gottesstaat errichten wollen, religiös begründete Rechtsprechung einführen und den heiligen Krieg in der Pocket-Version für Europäer bereithalten. Die mittelalterlich anmutenden Methoden schinden halt immer noch Eindruck, schrecken ab, wahrscheinlich mehr noch als jedes Hängen und Würgen um diplomatische Korrektheit.

Ich frage mich, ob, würden die ganzen evangelikalen Re-Importe hierzulande sich politisch radikalisieren und Andersdenkenden, die sich an ihren Werten vergreifen, mit dem Tod drohen, nicht erneut still würde um Jesus, die Idee Nächstenliebe, um ethische Werte, die sich auch abseits jeglicher Religion zwar entwickeln können, ihren Ursprung aber in Memen haben, die entweder religiös motiviert waren oder halt Ursprung religiöser Geisteshaltungen sind. Ob wohl die Jesus-Basher angesichts potentieller Gefahr um Leib und Leben schwiegen, also angesichts eines riesigen Krokodils davon absehen würden, die Kasperklatsche herzuzeigen?

Ob wohl hierzulande die Durchdringung der christlichen Religionen über die Jahrhunderte hinweg mit humanistischem, mit liberalem Gedankengut ermöglichte, sie freier, unbefangener zu erleben und zu leben? Ob wohl die Jesus-Basher ein Zeichen dafür sind, wie weit der Gedanke der Nächsten- und, ja, der Feindesliebe tragen kann? Ob wohl jemals die Friedfertigen das Land erben werden? Und wenn ja, wird es eines sein, das nicht durch Krieg unbewohnbar wurde? Ob wohl dem Auslöschen das Auslösen folgen wird?
Ludwig Janssen © 30.11.2012

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