Freitag, 29. November 2013

Das Grün meiner Zunge

Wäre meine Zunge grün, erzählte sie von Irland. Von meinen Wurzeln. Von den Wurzeln, die ich vermisse. Von denen meines Vater, denen ich nachging, denen meiner Mutter, die mich preisgab.
Meine Zunge ist grün. Singt sie doch von Hoffnung von dem Kliff herab, an dem ihr Baum sich den Felsen abtrotzte, zwischen denen er groß wurde, die meinem Kindsein nichts anderes ließen als karge Kälte und Zwang. Wohin fliehen, wenn kein anderer Weg bleibt als der neben dem geschundenen Ich? Was tun, wenn der eine dann sterben will - und der andere leben? Deutsch. Passt zu den Narben. Ist meine Zunge deutsch, wenn sie hart ist? Nein. Grün ist ein deutsches Wort. Meine Zunge ist deutsch. Das ist nicht Muttersprache, das ist Sprache des Zwangs. Ist die Sprache des Ausbruchs, ist die Sprache des Aufbruchs. Deutsch ist die Sprache, in der ich fliehe. Grün ist die Hoffnung. Grün ist die Sprache, zu der ich fliehe. Back to the roots. Back to the Roots: Deutscher Grund, mein dunkler, deutsche Regeln.
Meine Zunge ist grün. In meinen Träumen, in den schönen, ist sie grün. Dann hat sie vom Grün der Insel, springt mit den Lachsen den Abhainn na Gaillimhe hinauf, verliert sich im Grün des Fiddlers und singt von dem, was mir bleibt: I need you at the Dimming of the Day.
Ludwig Janssen © 29.11.2013

Gewidmet einem, der sich freischrieb, der sich frei schrieb, der sich, frei, schreibt und frei schreibt.

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