Dienstag, 8. Oktober 2013

Über die Liebe

Wenn es um die Liebe geht, sind alle Menschen Niederrheiner, denn ein Niederrheiner, sagte Hanns-Dieter Hüsch, weiß nichts, kann aber alles erklären. 

Gebe ich Liebe bei Google ein, bietet mir diese Suchmaschine spontan diese Begrifflichkeiten an: Liebessprüche, Liebesgedichte, Liebestest, Liebesgedicht, Liebesfilme. 

Nein, nach „Liebe“ soll sie mir suchen – nach einigem Zögern meines Computers meldet sie, „Ungefähr 235.000.000 Ergebnisse“ innerhalb von 0,11 Sekunden gefunden zu haben. Auf den ersten Blick imposant: Zweihundertfünfunddreißig Millionen Ergebnisse, doch wir haben den Juni des Jahres Zweitausendelf. Und da bedeuten 235.000.000 Ergebnisse in nur 0,11 Sekunden eine magere Ausbeute, sind lediglich eine Bestätigung der alten Erkenntnis, dass Rechner wahnsinnig schnelle Schwachsinnige sind, die sammeln, sammeln, sichten können: Wir haben mittlerweile 7.000.000.000 Menschen auf der Erde, würde solch eine Suchmaschine ein wenig mehr Zeit haben und jeden finden, auch jeden unter der überwältigenden Mehrheit Menschen, die über kein Internet, keinen Computer, keinen Strom verfügen, auch die eine Studentin in Bremen, wären das 29,79 mal so viele Ergebnisse, und da jeder Mensch sicherlich gleich mehrere Ansichten und Ideen zur Liebe hat und dafür, was Liebe ist … 

„Mehr, mehr, mehr!“ Häwelmann unterwegs. 

Und die Liebe? 

Die Liebe ist bei aller Vielfalt wohl jedem so groß- und einzigartig, so wundervoll zugleich, dass die Menschen, welche die bedeutendsten Schriften einer der monotheistischen Weltreligionen verfassten, übersetzten und, ähm, fortschrieben, eine wesentliche Passage verlauten lassen, dass Gott die Liebe ist, ui. 

1. Johannesbrief, 4,16: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm (nacherzählt, also so ungefähr). 

Hm, eine gute Idee, meine ich, denn so schließt etwas, von dem gesagt wird, dass es universell ist, omipräsent, jeden, aber auch jeden Menschen ein, der … 

Hm, zumindest jeden, der … 

Hm, die Liebe ist einfach. 

Daher sträubt sich in mir alles, nach einer Formulierung, die einschränkt, weiter über die Liebe zu schreiben. Da tippe ich „jeden, aber auch jeden“ … und tippe ein Komma, tippe „der“, da schrieb ich „zumindest jeden“ … und tippe „Komma, der“ – nein! 

Jeden, aber auch jeden Menschen. Und gut ist. 

Hm, sollte man meinen. Da kommen gleich viele angewuselt, die nur aus sich heraus in die Welt schauen und kaum aus einem anderen, die sich selbst erleben, verleben, durchleben, entleben, überleben … und erzählen, was die Liebe ist, was sie kann, lässt, besser noch, was sie nicht kann, unterließ, versäumte – denn ungeliebt, ungeliebt fühlten und fühlen sich wohl mehr Menschen als solche zu finden sind, die angeben, geliebt zu werden. 

Eine andere Stelle besagten Schrifttums führt im 1. Korintherbrief des Paulus an (1.KOR13ff), dass die Liebe größer ist als Glaube und Hoffnung, wertvoller als Prophetengabe, Zungenrede, Märtyrertum, Erkenntnis, und – dass sie nicht „das ihre“ sucht, also nicht sich selbst [andere Übersetzungen, auch Einheitsübersetzung: „ihren Vorteil“]. Keine Selbstfindung, keine Selbstverwirklichung, kein Tausch, erst recht kein Tauschgeschäft. Langmütig ist sie, steht dort zu lesen, erträgt alles, trägt nichts nach, bläht sich nicht auf … Eine wirklich lesenswerte Passage, dieses Kapitel 13 des Korintherbriefs. 

Die Liebe lächelt. 

Vielleicht das Lächeln eines Buddhas, vielleicht das eines Fisches, und ja, Fische …

Sie wird wohl auch lächeln, da bin ich sicher, wenn jemand aus sich herausbreitet, dass die Liebe ihn enttäuschte, verriet, verließ. Dabei war und ist das nicht die Liebe, sondern das Lieben. Fremdes Lieben, das sich ihm und seinem entfremdete, verfremdete … sich losfremdete? Zumindest das eigene blieb ihm und bleibt. Das eigene Lieben, das kaum wahrgenommene, das unbeachtete, das ungeliebte eigene Lieben. 

Das Lieben. 

Das Lieben, das ist wohl ein Stückchen Gottes in dir, und, wenn du Agnostiker bist, ist es ein Stückchen Ganzes, wenn du Atheist bist, ist es ein Stückchen Liebe, d e r Liebe – und sowieso ist es alles das zugleich und deines. 

Dein Lieben? Ich kenne es nicht. 

Mein Lieben, mein Lieben macht mich wehrlos. Das ist, was ich an Wichtigem über mein Lieben zu erzählen weiß. Manchmal lässt es mich zurück, und, vielleicht ist es eine Taube, findet sich immer wieder ein, bei mir, vielleicht bei dir, und lächelt. Nicht mehr taufrisch, schon lange nicht mehr unschuldig, aber immer noch unerklärlich naiv. 

Nullkommaeinsvier Nanoliebe. So viel auch nur, wenn ausschließlich die Menschen … Von keiner Suchmaschine zu finden unter sieben Milliarden Menschen. Ganz Häwelmann mit nacktem Hintern, ein Beinchen als Mastbaum in die Höhe gereckt, das Hemd daran Segel und aus vollen Backen blasend zieht es mit den Wolken über den Himmel. Der Mond fragt, „Junge, hast du denn noch nicht genug?“ Dann lächelt es, wahrscheinlich auch nur, weil es weiß: Um ein klein wenig zu werden wie die Liebe, die Gott ist, zumindest göttlich, müsste es … zumindest dem Korintherbrief nach, und seine Feinde, ach, nein, ich müsste – meine ... Und das fällt so verdammt schwer, vor allem, weil selbst ein nullkommaeinsvier Nanolieben für mich ein ganzes ist - und alles, was ich habe.
Ludwig Janssen © 7.6.2011

Keine Kommentare: