Donnerstag, 4. Oktober 2012

Brief von Sekante

Lieber Kreis,

der du in deinem Rund mich hältst, zum Kuss der Hypotenuse erhebst, was treibt dich um?

Liegst da in deiner Zweidimensionalität, suchst, dass ich mich einzig wähne, süße Worte, gibst dich wund … und?

Kuss der Hypotenuse, ja, und die Katheten? Was du quakquaken über eine von drei Seiten, eine, nur eine von dreien (?!) ließest, bin ich. Nein, von mir ist, was dich schneidet, nicht tangierte, nicht passierte.

Nichts passierte, meinst du, und doch hast du, der du dich wund gibst und geschnitten, mich in dir, liegst ungerührt so voll und rund um drei von uns, die ihre Schenkel …

Willig. Du schließt ein, bemüht um Ebenmaß, die aus Pytha, aus Go, aus Ras anreisten, Sekanten, die dein Zeiger zu Sekunden zählt? Kuss der Hypotenuse, du Kreis, ist Widerhall in dir, ist, wenn wir gleich sein sollen, wie du sagst, und keine geringer als die andere, das dreimal in dir: Wie viel A, wie viel B und b nach c – welch Gequake! Welch ein Lärm!

Was mich halbiert, so schwer fällt es dem Punkte zu, an dem die anderen dich berühren, wie du mir schriebst, in dir aufgehen oder auf ewig schmerzlich Ort des Abschieds bleiben. Du rundest stumm für dich, um uns, schweigst und genießt: Das Ebenmaß unserer Schenkel, die sich dir öffnen. Dazu trägst du in deiner eignen Mitte die des kleinen Runds, das aus unser dreier Schwerlinien Aufeinandertreffen knospend sich in dir an uns schmiegt, uns tangiert, mich zur Tangente macht. Tangente, Kreis, Tangente! Tangente, das bedeutet: nur ein Punkt, Kreis! Nur ein Punkt gehört mir, mir allein und ganz.

Du willst mich in dir wissen, dich weiß ich, wenn auch klein, an mich geschmiegt – du kannst nicht anders, dort als Innenkreis, und alles Dreieck, dem ich Seite, ist eines nur von vielen möglichen, die mehr als nur Tangente für dich oder en passant …

Wo, Kreis, träumte dir unser Kennenlernen?

Du bist mir Weh, Kreis.

Deine Sekante


Ludwig Janssen © 15.8.2010

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