Mittwoch, 9. März 2011

Zu Wittgensteins „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“

Vorab: Wer hier Wittgenstein besprochen lesen möchte, liest lieber nicht weiter, wird enttäuscht sein. In dieser Kolumne breite ich nicht von dem aus, was es zu dieser Feststellung Wittgensteins Satz 5.6. auf Seite 118 seiner Logisch-philosophischen Abhandlung (tractatus logico-philosophicus) zu lesen, auszuführen gibt. Lediglich von dem, was mich an diesem Satz fasziniert, vielleicht, weil ich von meinem Schreiben darin wiederfinde, wiederzufinden meine.

Meine Sprache.
Grenzen meiner Sprache
Meine Welt.
Grenzen meiner Welt.

Die Grenzen meines Goldfischglases.

Meine Sprache, das ist nicht allein das Deutsche, ist nicht allein die deutsche. Meine Sprache ist mehr. Mehr als das Englische darin, das Niederländische, Plattdeutsche, Bayerisch, das wenige Französisch, das Dagbani. Mit jeder Grenze, die ich überschritt, als Sohn eines Landmaschinenschlossers hat man etliche davon um und vor sich, wuchs meine Welt, wuchs meine Sprache. Mit jedem beruflichen Neuanfang wuchs meine Welt, wuchs meine Sprache, mit jedem Menschen, jeder neuen Begegnung. Ja, mit jedem Rückzug wuchs meine Welt, wuchs meine Sprache.

Und doch – jede Sprache besteht aus Lauten, Zeichen, die sich finden zum Wort. Zum wOrt, denn jedes Wort ist Ort zugleich. Diese poetische Binnenbedeutung ist eine Besonderheit meiner Muttersprache Deutsch: wOrt – das bedeutet Raum. Raum gibt es nur, wo etwas zu Umgrenzendes vorliegt, und das, was durch diesen Raum wOrt umgrenzt wird, ist … Ja, was?
Bedeutung? Nein. Dies zu belegen braucht man nicht zu Schulz von Thun zu bemühen. Die Bedeutung liegt nicht im Wort. Macht auch nicht dessen Raum aus. Den Raum macht, was Menschen hineinlegen, den möglichen nicht, was sie hineinzulegen in der Lage sind, sondern wären.

Über den Menschen gewinnt das Wort, eigentlich Hilfskonstrukt und dimensionslos, zumindest Dreidimensionalität, umgrenzt Idee.

Und je mehr sich diese Räume zu- und ineinander fügen, umso weiträumigere, komplexe Welten entstehen, innerhalb derer sich der Ausdenker frei bewegen kann: allein. Da Sprache etwas ist, das einem Menschen bis auf wenige lustvolle oder auch tragische Ausnahmen relativ lange erhalten bleibt, entstehen auf Dauer eines Menschenlebens begrenzte Welten.

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“

Ich mag diesen Satz nicht nur, weil er mir bestätigt, innerhalb meines Vorstellungsvermögens gefangen zu sein sowie innerhalb der Grenzen meines Vermögens mich mitteilen zu können – ich mag ihn, weil er mir aufzeigt, wie man sich über die Sprache auch Welten erschließt, Welten sich erschließen. Chance Begegnung. Die eigene Sprache und die eines anderen.

Denn - eine kluge junge Frau sagte mir, dass Worte Zeichen sind, Sprache dagegen ein System sei - zeigen nicht auch die Worte (Zeichen) auf, wo die Grenzen unseres Fassungsvermögens auf der einen und die Grenzen unseres Ausdrucks auf der anderen Seite sind? Das System Sprache kann sich nicht ungehindert ausbreiten - in jedem einzelnen von uns findet es Grenzen.

Ob das nun die Muttersprache ist, oder ob man über Fremdsprachen neue Welten erschließt, sogar virtuelle wie die der Klingonen, das Elbisch Tolkiens - oder ob schlichtweg aufgezeigt wird, "wie weit einer kann", und zwar reden, sehen, denken.

Mit jedem neuen Wort, das ich schöpfe, mit jeder neuen Bedeutung, die ich einem Zeichen über die gewohnte hinaus zu geben in der Lage war, wächst meine Welt aus mir mir zu (und anderen).

Was hinter dem Wort ist, ist nicht immer unaussprechlich oder eben unbekannt. Das Wort ist ein Zeichen, die Sprache ein System.

Was hinter dem Wort ist, hinter der Sprache - Systemfehler, Windows shutting down - das System Fenster prägt Sprache, macht eine eigene ...

Ein Goldfischglas im anderen ...

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt - Guten Tag, Savant, ich komme nicht darüber hinweg ... Komme ich je darüber hinaus?

Ludwig Janssen 2.3.2011

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