Montag, 14. März 2011

Ratur Lite und das Einhorn

Ratur Lite hatte sich auf den Weg gemacht, das Glück zu suchen. Er ging an mir vorüber, tippte mit dem Zeigefinger an die Krempe seines Filzhutes, kippte darauf hin die Hand in die Waagerechte und wies in die Richtung, in die er seinen Weg fortzusetzen gedachte.

"Machs gut, Lite!", rief ich ihm zu.
"Merci!"
"Mercie!"
"Wurscht, Klugscheißer, französischer!"
"Machs gut, Lite, aber mach jetzt, dass ...!"

Gern hätte ich ihm einen freundlicheren Abschied gegönnt, aber Ratur hat einen eigenen Kopf, dieser wiederum einen dicken Schädel, und dessen Stirn wies in dieselbe Richtung wie der immer noch ausgestreckte Zeigefinger der rechten, im Gelenk in die Waagerechte gekippten Hand. Ratur Lite war unterwegs, daran gab es keinen Zweifel.

"He, Lite!"
"Ja?"

Kein Blick zurück.

"Wohin willst du eigentlich?"
"Da lang."

Ratur Lites Schritte takteten sich den Weg in kurze Stückchen, die sie zügig hinter sich ließen.

"Warum?"
"Warum nicht?"
"Du wirst doch wissen, wohin du willst und warum?"
"Schon."

Lites düsternde Gestalt verlor sich allmählich im milchigen Pastell des Horizonts.

"Und, magst mir nicht verraten, Lite, wohin du ..."
"Ach, ich ..."

Was mir Ratur Lite jetzt vom Horizont her zurief, als der letzte Hügel ihn und den sich windenden Weg verschluckte, weiß ich nicht, nur Fitzel wie "doch möglich sein", "i(...)wo", "sicherlich", "kein", "Unst" und "Einhorn" konnte ich verstehen.

"Viel Glück, Ratur Lite!"

Einen Wimpernschlag lang gab der Horizont einen Hut frei, der geschwenkt wurde, dann sprang er wieder an seinen gewohnten Platz und legte sich zwischen Himmel und Erde. Nicht lange, und man konnte ihn schnarchen hören.

Machs gut, Ratur Lite!

Ludwig Janssen © 6.12.2009

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