Das hätte nicht ins Weltbild der Mahatma gepasst, zu ihrer
Fähigkeit zu weltumgreifender Empathie. Eine Gabe, die im an ihrer Reichweite
gemessen viel zu kleinen, doch passend wohlgestalten Körper der Mahatma
schlummert und auf Prinzen wartet. Prinzen mit struppigem Äußeren und
unbekannter Vita, die, sobald Mahatma G. erst einmal (und unvernünftigerweise,
wie sie gern seufzend unterstreicht) in ihre Augen geschaut hat, auf Lebzeit
ausgesorgt haben.
Den drei Hühnern, braunfiedrigen Hybriden mit mittlerweile
puscheligen Popos, die es sich im Hühnerhaus bequem gemacht hatten, war es
ebenso ergangen, denn Mahatma G. hatte sie vor einem grausamen Schicksal
bewahrt und aus einer Legebatterie heraus freigekauft. Drei sollten es sein, aller
guten Dinge, das geboten die Vernunft und der zur Verfügung stehende Raum. Drei
Hühner wurden es auch. Zerzaust, eingeschüchtert und mit blassen Kämmen
gelangten sie aus dem Käfig, in dem sie in Kürze das Legen hätten aufnehmen
sollen, in einen Karton und schließlich in Hühnerhaus, Garten und Herz der
glücklichen sie begluckenden Mahatma. Sie erhielten Namen, um die sie sich
nicht scherten und tuckituckten bald poook-pock-poook durchs Grüne.
Drei befreite Hühner, drei glückliche Hühner, drei Hühner im
Garten. Hier hätte die Geschichte enden können. Wenn da nicht, ja, wenn da
nicht ein Huhn im Käfig zurückgeblieben wäre. Ein Huhn, dessen Anblick Mahatma
G. nicht mehr loslassen sollte, sie durch den Tag begleiten. Ihre Gedanken
kreisten nicht um die drei seligen Tucken, die überzeugend glücklich Körner
pickten, scharrten und im bereitgestellten Vogelsand badeten. Sie hingen fest
in einem verkoteten Käfig, sahen ein einsames Huhn im Dreck verzagen zwischen
Draht, Lichtprogramm und Futterautomaten. Sie, ganz Mahatma, fühlte sich
irgendwie unausweichlich verantwortlich für alle zukünftig auf genau dieses
kleine Huhn einstürzende Not und Wahrscheinlichkeit.
Mahatma G. fasste einen Entschluss. Was wohl der Bauer
gedacht haben mag, als Mahatma G. wieder mit quietschenden Reifen vorfuhr und
(sicherlich so wortreich wie verlegen) nach dem verbliebenen Huhn fragte, es
zahlte, einpacken ließ und mit einem Huhn im Karton davonfuhr? Wer weiß.
Fakt ist, dass es seither Viertes Huhn gibt. Drei Tage
traute sich Viertes Huhn nicht aus dem Haus, wurde gemobbt von ihren ehemaligen
Zellengenossinnen und harrte ihrer Namensgebung, die sich in „Viertes Huhn“
erschöpfte und erfüllte zugleich. Viertes Huhn ist das einzige Huhn dieser
Geschichte, dessen Name sich einprägt, es lebt und erhebt - poook-pock-poook -
mit der Selbstverständlichkeit allen Hühnerhirns Anspruch nicht nur auf den
Garten der Mahatma, sondern auch auf den zu Hühnerfuß erreichbaren Rest
Bayerns. Poook! Jeden Tag legt Viertes Huhn ein Ei. Poook! Dankbar, wie Mahatma
G. gern schmunzelnd hinzufügt. Dabei dehnt sie beide Vokale um die Spannweite
ihrer Arme.
Ludwig Janssen © 22.12.2009
1 Kommentar:
Zum Gackern schön!
Danke für diese gute Geschichte, Ludwig. Mahatma Glück.
Liebe Grüße
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