Dienstag, 10. Februar 2015

Der Ire aus dem Automaten

Neulich schaute ich abends aus dem Fenster und sah in seine ernsten Augen. 

“Tá brón orainn a bodhraigh ...”
“Wie bitte?”
“Thiocfaidh ag an am olc?”

 “Hä?”

“Oh, sorry!” Er zog aus der Innentasche seines kleegrünen Lodenmantels etwas, das wie ein Netbook aussah, zog einen kleinen grauen Stecker aus einer der Buchsen und stöpselte ihn in eine danebenliegende: 

Ich komme auf schlechte Zeit?“ 

„Was meinen Sie damit?“ 

Teacht I a ghabhann le droch-am?” 

“Es tut mir leid, mein Herr. Abgesehen davon, dass ich nichts dagegen habe, ja, auch nichts dagegen machen kann, dass Sie vor meinem Fenster stehen, frage ich mich, wo Sie herkommen und was Sie mir sagen möchten. Ist es wichtig?” 

Er fingerte an dem, was ich für ein Netbook hielt, hielt inne und erwiderte:

Ciallóidh nach miste leat, , ní féidir cabhrú leis go bhfuil os comhair mo fhuinneog agus iontas ag an am céanna, áit a thiocfaidh as agus cad ba mhaith liom a rá leat?” 

“Hä?” 

Wieder fummelte er am Stecker. Würde er jetzt erläutern: Du meinst es Ihnen nichts ausmacht, kann es Ihnen nicht helfen vor meinem Fenster und frage mich gleichzeitig, wo ich herkommen und was ich will Ihnen sagen?
Eigentlich hatte ich so eine Idee, dass genau das sein nächster Satz wäre. Doch er überraschte mich: 

Ciallóidh nach miste leat, is féidir nach cabhrú leat lasmuigh de mo fhuinneog agus a iarraidh ar an am céanna, áit a thiocfaidh as agus cad ba mhaith liom a rá leat féin?” 

Dann, ohne mir Zeit zu lassen zu einer Reaktion:  

I'm homesick!” Leise klickende Tastatur. tinn sa bhaile!” Klicken. “Ich bin krank zu Hause!“ klickediklick. „ tinn sa bhaile!” klack! “Teagmháil a dhéanamh le Tusa tinn Wed Bhaile!”
... 

Sie kontaktieren Town Mi krank!“
...
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Sah in seine grauweißen Augen mit den grauschwarzen Pupillen, die selbst für das Dämmerlicht unwirklich groß schienen, sah die lockige graue Strähne, die vor seiner blassweißen Stirn baumelte und wartete. Nichts. 

“Homesick.” Meine Feststellung dehnte o, s und das Klicken des ck, dass man das Wort locker über die Themse spannen und eine Seilbahn daran hätte befestigen können. Der unbekannte Gast schien mir diesen Exkurs ins Englische übelzunehmen. 

“Gan homesick. I feel forsaken me!” 

Ah! Vielleicht könnte ich mich auf Englisch mit ihm verständigen:
„Do you speak English? Where do you come from?” 

Er strahlte mich an, wandte sich um und wies mit ausgestrecktem Arm auf die schwarze Silhouette Regensburgs, in der gerade Lichter aufgingen wie Vogelmiere auf einem Komposthaufen: 

No, I do not speak English, but I come from there ... "his finger circled a few black spot in the compost ... and back there in the lobby of the station, I got out of a vending machine, just as it emerges from a train. I'm Irishman!” 

Er registrierte meinen fragenden Blick, hantierte erneut mit Stecker und Tastatur: 

Nein, ich spreche kein Englisch, aber ich komme von dort ... " Finger kreiste ein paar schwarze Fleck in der Kompost... und da hinten in der Lobby des Bahnhofs, bekam ich von einem Automaten, so wie es von einem Zug entsteht. ich Ire bin!“ 

Ich ließ den Iren aus dem Automaten draußen stehen und ging in mich. Ja, ich weiß. Ich hätte ihn sagen lassen sollen: „Nein, ich spreche kein Englisch, aber ich komme von dort her ..."  sein Zeigefinger kreiste um eine noch schwarze Stelle im Kompost "... und dort hinten, in der Vorhalle des Bahnhofs, entstieg ich einem Automaten, gerade so, wie man einem Zug entsteigt. Ich bin Ire!”

Ich habe eine nicht ausgeheilte Lungenentzündung, erbärmlich pfeifenden Husten und zu viel freie Zeit. Es ist nicht fair, eine literarische Gestalt vor dem Fenster stehen und zugleich offen zu lassen, ob das Fenster offen steht, der Gast davor. Die Silhouette Regensburgs von hier aus auszumachen ist auch nur möglich, weil gerade jetzt die Dünung des bayerischen Waldes mein Dorf aus, nein, mit seinem Tal über die angrenzenden Wälder hebt, höher als das Kliff mit der Walhalla über die Donau hinweg ragen lässt und der Regen Pause macht. Und ja, es gibt einen Automaten in der Vorhalle des Bahnhofs Regensburg, dem hin und wieder Männer entsteigen, auch übersetzte. Das weiß ich, weil ich schon davor saß und darauf wartete, dass eine übersetzte Frau …

Gut, zurück: 

Das Fenster stand offen, der aus dem Automaten davor und hielt sein Netbook: 

Am I cur isteach?” 

“Hä?” 

Klicken.

Ich bin der Anwendung?“ 

„Nein, selbstverständlich nicht. Ich wundere mich nur, wie Sie darauf kamen, mich aufzusuchen und was Sie bewegte anzunehmen, dass ich Ihnen behilflich sein kann.“ 

Er lächelte:
"Mar a tháinig amach a thugann tú cuairt ar athraíodh a ionad agus cad dom glacadh leis gur féidir leat cabhrú liom?"
Ich nickte:
"Conas a raibh tú ag teacht amach as cuairt a thabhairt dom agus a ghluaiseann dóibh chun a chreidiúint gur féidir liom cabhrú leat." und schob nach:
„Wie haben Sie kommen, um mich zu besuchen und bewegte sie zu glauben, dass ich dir helfen kann."
Er schien verwirrt, dass ich grinste, legte er offensichtlich als Unfreundlichkeit aus.
Lick mo thóin!” verschwand er in der Nacht, und das hatte ihm nach wohl eigentlich auf Deutsch “Lick my ass!“ heißen sollen. Sein Rücken glänzte metallisch, sein Gang erinnerte an den eines Pinguins und links unten baumelte ein Kabel mit Stecker.
„My ass?“
„My ass!“
Klar, was sonst? Und Mozart.
„Sod you?“ rief ich ihm noch nach, unsicher, ob ich ihn verstanden - und mich selbst korrekt ausgedrückt hatte. Er war in der Nacht verschwunden und blieb es für eine Weile. Wahrscheinlich lässt er sich gerade vor einem anderen Fenster blicken.
Ludwig Janssen © 21.2.2011

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