Freitag, 25. Oktober 2013

Zum Schreiben: Die Sache mit dem inneren Abstand

„Volare“ heißt „fliegen“, und „Lumen“ bezeichnet „lichte Weite“. 

Abstand ist Distanz, und diese Distanz lässt sich, je nachdem, in welcher Dimension wir uns bewegen, in Längen- oder auch Raum- und (sogar) Zeiteinheiten ausdrücken. Was uns bewegt, Abstand zu halten oder zu nehmen, jedoch nicht. 

Beim Schreiben, vor allem beim Veröffentlichen von fiktionalen wie faktualen Texten ist das so eine Sache mit dem Abstand, der Distanz.
So soll von Nutzen sein, sagt man, wenn man innerlich Abstand einnimmt zu einem Text, den man in einem Medium auszustellen beabsichtigt, das unmittelbaren und ebenso anonymen wie auch distanzlosen Zugriff ermöglicht auf alles, was man ihm anvertraut. Ein seltsamer Rat, nicht wahr?

Abstand einnehmen, gar – „gewinnen“? Warum? Wozu? Man schreibt mit Herzblut, wenn man Glück hat, mit Verstand – und die weniger Begabten unter den Autoren schreiben mit zumindest von Gönnern zumeist so ungefragt wie aufdringlich attestiertem Talent. Was? Texte natürlich, die ebenso ungefragt wie aufdringlich daherkommen und gelobt werden wollen, oder? 

Ja, oder!

Das jedoch interessiert kaum einen der Schreiber, und die Leser unter den Schreibern, die verstanden, klinken sich an dieser Stelle der Kolumne mit wissendem Lächeln aus und gehen in Gleitflug über auf nimmermüder Suche nach Thermik. 

Abstand und Nähe – zwei Gesichter, zwei Fratzen. 

Kann man den Sicherheitsabstand, den ein umsichtiger Fahrer auf der Autobahn zu vorausfahrenden Fahrzeugen einhalten sollte, zum Vergleich heranziehen, kann man? Taugen die zugehörigen technischen Begriffe wie Reaktionszeit und Bremsweg zum Gleichnis? Oh, ja. Blech- und Personenschaden ebenso, und, und, und … Und auch wieder nicht. 

Ich selbst mag gern, wenn es um Texte, ums Veröffentlichen, Austausch und Kritik geht, von der – nein, hier passt „einer“ - Begegnung zum und über dem Wort schreiben.

Bei dieser Begegnung kommt es zum Wechselspiel von Distanz und Nähe, die einen nennen es oder empfinden es als Tanz, andere wieder handhaben dieses Wechselspiel mit derselben Verve und demselben Einfühlungsvermögen, aber auch demselben Vergnügen, mit dem sie auf dem Jahrmarkt Autoscooter fahren. Unglücklicherweise sitzt manchmal in der elektrifizierten Chaise, die da wer anbumst, jemand, der gedankenverloren seine Kreise drehen wollte. Womöglich das Herzchen des Rüpels am Rande. Oder umgekehrt.  

Nun sitzen also im Autoscooter auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten die unterschiedlichsten Figuren und Chosen, schreibend oder hineingeschrieben in einer oder als Chaise, wähnen sich womöglich – oder, kaum nachzuweisen – geben sich auf einer Chaiselongue. Besondere Prachtexemplare geben sich und anderen auf der Chaise(longue) den Dichter. 

… und werden angebumst. 

Mit diesen Leuten kann man schwerlich einen Diskurs zu Distanz und Nähe einvernehmlich beenden. Ebenso wenig, wie man ihnen nahekommen konnte oder fernbleiben mochte, eher fern bleiben mag man da, als sich in Nähe verlieren oder (in) Distanzlosigkeiten finden. 

Schon gut, wenn man da Distanz wahren kann. 

Eben jene Distanz, die man zuvor gewann. Aus Diskursen, aus Nachdenken oder halt den Erfahrungen auf dem Autoscooter. Von solcher Distanz also legt man ein gerüttelt Maß zwischen sich und den Text, den man dem Lesen anderer preisgibt. Gerade so wie eine Hand auf den nackten Hintern im Darkroom oder die Fingerspitze auf die willig gebotenen Lippen der unbekannten Muse. 

Macht nicht jeder? 

Ja, stimmt. 

Das ist so ähnlich wie mit dem „Ja, oder!“ weiter oben, nur dass jetzt ich es bin, der sich an dieser Stelle der Kolumne ausklinkt und mit wissendem Lächeln übergeht in Gleitflug – und auf nimmermüde Suche nach Thermik. 

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass „VOlumen“ für „Rauminhalt“ steht und „Fassungsvermögen“, nicht jedoch für Gehalt – und dass LARE ein wOrt ist, mir jedenfalls.
Ludwig Janssen © 8.6.2010

2 Kommentare:

Naseweiss hat gesagt…

eS GIBT NUR
jA ODER nEIN
IN DER zWISCHEN MENSCHLICHEN tHERMIK

:Ludwig hat gesagt…

Hm? :)