Dienstag, 22. Oktober 2013

Begegnung mit Prinzessin Nurphonetis, jedenfalls beinahe

Kennt ihr das auch? Die Welt treibt einen um und um wie einen Kreisel und je schneller wir uns drehen, umso kerzengerader stehen wir da und geben einen unangenehm angespannten Brummton von uns.

Wenn aber so ein Kreisel – oder eben wir – dann einmal langsamer drehen kann oder muss, passiert etwas Eigenartiges, durchaus Erklärliches mit uns: Ein leichter Taumel setzt ein und der Kreisel steht etwas schief.

Das Leben bekommt eine gewisse Schräglage, eine angenehm entspannte Schräglage. Du legst den Kopf schief und mit einem Mal sitzt da eine Selbstverständlichkeit vor dir auf dem Boden, ein kleines Wort vielleicht, und sieht dich an aus himmelblauen Kulleraugen.

Legt auch den Kopf schief und sagt vielleicht etwas wie „Na, du?“ - oder eben nichts.

Dir ist, als sähest du es zum ersten Mal – genau dieses Wort – und ihm scheint es auch nicht anders zu gehen, so wie es guckt. Da steht ihr also beide und staunt euch an, lächelt oder glotzt – über Feinheiten und ihr Warum wollen wir in solche einem Moment doch nicht streiten.

Doch nur wenig später nimmt der Spin wieder zu und drängt dich zurück in die aufrechte Position, diese angespannt kerzengreede Position, von der du weißt, dass auch sie nicht die einzige ist, von der aus ein Mensch die Welt zwar kaum überblicken, aber Wichtiges übersehen kann.

Da wendet sich das Wort ab, dreht dir seinen Rücken mit den Schubladen zu und geht. Vielleicht folgt es seiner Bestimmung.

Oder Prinzessin Nurphonetis.



Ludwig Janssen © 12.12.2006

2 Kommentare:

MelusineBarby hat gesagt…

Diese Erfahrung entspricht ziemlich genau dem, was Chiara Zamboni in "Unverbrauchte Worte" beschreibt. Über dieses wunderbare Buch werde ich demnächst bei mir im Blog was schreiben. Und es ermutigt mich, dass diese Erfahrung, an der so viel hängt, eigentlich ALLES verstehen (das man halt nicht wollen kann, nicht wahr?), auch andere machen/zulassen. LG

:Ludwig hat gesagt…

Deinem Beitrag sehe ich erwartungsvoll entgegen. Der Text hier war ein einleitender auf einem Poetry-Slam in der Alten Mälzerei in Regensburg. Kaum verstanden. Kaum wer bringt das Vorstellungsvermögen auf, ein Wort als etwas Eigenes anschauen zu mögen. Ist doch eigentlich erstaunlich und, da (und wem)die Beschränkung offenbar wird, zugleich traurig, dass und wie eine Abfolge von Lauten und ihr Abbild in genormten Zeichen(folgen) im Geltungsbereich eines beschränkten Einvernehmens (realizing Wittgenstein!) Gesicht=Gestalt=Bedeutung=Leben bekommen. Und, darauf kams mir an und das fasziniert mich, gaaanz anders wirken, "legt man seinen Kopf schief" (nimmt die einem zur Seite geneigten Kopf entsprechende Geisteshaltung ein).