Montag, 4. März 2013

Über die seltsame Vorstellung, dass man in lyrischen Texten nicht …

Na, was nun? Da las ich unter einem Gedicht, in dem das Wort man eingesetzt wurde, dass dieses Wort in lyrischen Texten nicht gut aufgehoben sei. So etwas sieht jeder, befasst er sich mit Sprache, sicherlich gerne erläutert. Doch kam da auf mein Anfragen nicht viel, ein paar trockene Sägespäne darüber, was das man ausdrückt, so als Wort und, hm, Bedeutungsträger. Sattsam bekannt. Doch warum das denn man für lyrische Texte ungeeignet macht – nüscht.

Wunderte mich auch nicht weiter. Hatte ich mir doch meine eigenen Gedanken dazu gemacht und vielfältige Gründe gefunden, die dafür sprechen, sich dieses kleinen Wörtleins zu bedienen.

Gerade ein Wort wie man schafft sich Raum, Raum für Bedeutung, und Bedeutung liegt schließlich nicht im Wort, ist eher ein Feld als Inhalt eines Wortes, ist Potential. Befasse ich mich also mit Sprache, mit dem Wort man und füge es in einen lyrischen Text ein, so öffne ich den diesem Wort innewohnenden Raum und füge ihn dem Text bei … oder, durchaus kritisch, zu:

Sicherlich unterscheidet sich der Raum, das Feld, den bzw. das man eröffnet, von dem, was das Wort ich vermag.

Sattsam bekannt dürfte sein das Kommunikationsmodell Schulz von Thun, die dort so bezeichnete Ich-Botschaft. In diesem Kontext ich zu sagen und auf man zu verzichten, ist in der Tat gut. Es kommt hier (und sowieso) darauf an, welche Absicht man hat, darauf, was man evozieren will. Anders ausgedrückt läge nahe zu formulieren: Darauf, was ich evozieren will, was du evozieren willst. Man vereinfacht hier, schließt, selbstverständlich verallgemeinernd, ich und du ein, dich und mich.

Nun geht es (ich weiß, dass viele in Literaturforen Veröffentlichende da völlig anderer Ansicht sind als ich, sie stellen es täglich unter Beweis) bei einem lyrischen Text nicht unbedingt darum, das lesende Gegenüber freundlich zu stimmen bzw. für sich, für den eigenen Standpunkt einzunehmen. Es geht um Ausdruck (Im Zweifelsfall deinen, wenn du schreibst).

Dieser wiederum gehört zum Gedicht. Und halt ebenso die Räume, Perspektiven, die ich über eine unterschiedliche Erzählweise eröffne: Schreibe ich du gehst … ich gehe … es geht … oder man geht … leicht auf Wolken – meinen Leser setze ich nicht nur vor jeweils unterschiedliche Fenster, ich selbst nähere mich auf unterschiedliche Art, biete auf unterschiedliche Art und Weise dar, was ich zum Ausdruck bringen möchte, schaffe Distanz oder Nähe, ganz Schöpfer einer zweidimensionalen Angelegenheit, die im Leser ihre dreidimensionale Erfüllung findet – oder halt eine Bauchlandung erfährt. Schließlich kann ein Gedicht im Leser nur das erreichen, was dort bereits vorhanden ist.

Die Behauptung aufzustellen, dass das Wort man in lyrischen Texten nichts verloren habe, halte ich für ein Zeichen von Ignoranz, sicherlich jedoch ist es eines von Unreife im Umgang mit Sprache. Was wiederum nicht besonders schlimm ist, schließlich reift man mit jeder ernsthaften Auseinandersetzung, jeder Begegnung zum - und über dem Wort.

Ludwig Janssen im Oktober 2012

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

jede generelle behauptung, jedes regelwerk, das muss man und das darf man auf keinen fall, ist ignorant, oder jedenfalls kurzsichtig, trotzdem (oder gerade deshalb?) wird diese keule immer wieder hervorgeholt. möglicherweise gerade von jenen, die gar nicht reifen wollen.

:Ludwig hat gesagt…

Wenn, wers gebraucht, wenigstens begründen könnte, auf eine Weise, die eine andere Grenze zeigt als die selbst auferlegter Beschränkung, wäre viel gewonnen, an Einsicht, eine andere als die eigenen (hier meines) Widerstrebens.

Da ich während einer Zeit, in der ich selbst mich mit einem bestimmten Wort auseinandersetze, zum Beispiel dem und, selbst dazu neige, dessen Gebrauch infrage zu stellen, auf Resonanz hoffend und Material, freue ich mich über widernde Standpunkte, von mir aus auch widdernde, solange sie nicht anwidern - eine Nebenwirkung? :)