Montag, 28. Januar 2013

Siegeszug des limbischen Systems

Ich halte die Annahme, die Zunahme des Volumens unseres Großhirns hätte so etwas wie einen Homo sapiens sapiens hervorgebracht und der Bedeutung der Bezeichnung nach einen besonders weisen Menschen, für einen Trugschluss.

Bis vor 100.000 Jahren nahm das Volumen des Hirns kontinuierlich zu, seit 75.000 Jahren nicht mehr. Seitdem breitete sich der Cro-Magnon- Mensch erfolgreich aus und dachte sich neben Pfeilspitzen auch so etwas wie Kultur und Kunst aus, kritzelte Männchen an Felswände, schrieb Gedichte, schiss ins freie Feld, brachte sich gegenseitig um, dachte sich Sprachen aus, die er lange über deren Gebrauchswert hinaus erhielt - und erfand Euphemismen wie Homo sapiens sapiens.


Dabei ist nichts so leicht aus den Angeln zu heben wie das, was der Mensch Weisheit nennt oder Vernunft, genauer: deren Kontrolle über sein Handeln. Die eigentliche Instanz unseres Handelns bleibt dem limbischen System, dem Teil des Hirns, den man seines evolutionären Alters und der damit einhergehenden Ähnlichkeit mit den Hirnen niederer Arten wegen Reptilienhirn nennt.

Besonders deutlich wird das, wenn Meme außer Kraft gesetzt werden, die eindeutig dem Wirken von Vernunft und versuchter Weisheit zugeschrieben werden können wie zum Beispiel Gesetze und hier insbesondere das Gewaltmonopol Gottes („Mein ist die Rache“ [Rache im biblischen Sinne = Wiederherstellung von Gerechtigkeit]) oder/und bzw. ersatzweise des Staates, auch solcher Staaten, deren „alle Macht“ angeblich vom Volke ausgeht (nicht vom ganzen, sondern von elitären Teilen).

Dabei umgeht das Wirken des limbischen Systems, das neben dem Hirnareal, das unser Reagieren auf Angst und Aggression kontrolliert (Mandelkern = Amygdala), auch ein „Belohnungszentrum“ umfasst sowie die Hauptverbindung zwischen Nerven- und Hormonsystem (Hypothalamus), die Kontrolle unseres Verstandes. Ganz einfach, weil alle von diesem Areal gesteuerten Prozesse nicht nur viel schneller sind als unser Denken, sondern, first come - first serve, auch eher an der Reihe.

Auf beeindruckend überzeugende Art setzt das limbische System die Kontrolle des Verstandes über unser vernunftbegabtes Denken und Handeln aus, und das kollektiv, wenn der auf unsere Emotionen einwirkende Reiz von solcher Nachhaltigkeit ist, dass er selbst lange nach seinem unmittelbaren Einwirken auf eine Einzelperson (und deren Re-Aktion) Einfluss auf eigentlich nicht be(ge-)troffene Menschen hat.

Auf Cro-Magnons, deren Amygdalas in Gerichts- und Plenarsälen, an Stamm- und Computertischen und in Höhlen vor flimmernden Bildschirmen alle Vernunft (über die Klippe) fahren lassen, die Beine breit machen und sich ficken lassen.

Das Großhirn ist ein Instrument des limbischen Systems des Cro-Magnons, um dieses sich in den entlegensten Winkeln dieses Planeten und potentiell des Universums ausbreiten lassen zu können – um sich ficken zu lassen.

 

Ludwig Janssen © 11.7.2012

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