Donnerstag, 3. September 2009

Blick aus fremden Fenstern. Zu: Jenny Erpenbeck „Dinge, die verschwinden“ Auszug in DER TAGESSPIEGEL vom 2. September 2009

Im Tagespiegel Online (Der Tagesspiegel, Berlin) erschien heute im Kulturteil ein Artikel mit einem Beitrag der Berliner Schriftstellerin Jenny Erpenbeck:

"...
Die Narben Berlins

Einst bestimmte Weite die Stadt. Jetzt werden die letzten Brachen bebaut. Die Berliner Schriftstellerin Jenny Erpenbeck über die Zeit der Leerstellen, die nur eine Pause war.
..."


Ein sehr lesenswerter, geradezu liebenswürdiger Text, der in seiner leisen, plastisch schildernden Sprache so gar nicht zum Image einer angeblich vorlauten, hektischen, überheblichen Haupt- und Großstadt passen mag.

Jenny Erpenbeck inszeniert nicht Sprache, sondern mir Leser wird deutlich, dass hier eine Frau ihren Sprachschatz investierte, um ihr ganz eigenes Berlin aufzubauen, ein Berlin, dessen Wandel man wie aus ihrem Fenster heraus zusieht.

Ich denke darüber nach, ob man so wie ich noch die letzten Kriegsruinen seiner Stadt hat schwinden sehen müssen, die wilden Abenteuerspielplätze der Kindheit, um von der Melancholie auslesen zu können, die hier mitschwingt. Doch vielleicht gehört diese auch zu den unvorhersagbaren Dingen, die sich nur 'im Auge des Betrachters' finden.

Im Auge dieses Betrachters:

Jenny Erpenbeck zitiert Christian Morgensterns "Der Lattenzaun" - ein weiteres Stück Poesie in dieser kurzen Textprobe, die mich Leser zum Schluss kommen lässt, dass die Stadt gesegnet ist, die noch mit solchen Augen gesehen und mit solchen Worten anderen Menschen sichtbar gemacht wird.

Augen einer Betrachterin, denen man gerne ein anderes Stückchen Morgenstern zuschreiben mag:

"... Wie oft wirst du gesehn / aus stillen Fenstern / von denen du nichts weißt ... / ..."

Und seis nur, um zu visualisieren, wie viel ungeahnte Vorstellungskraft und Empathie durch Worte mobilisiert werden kann.

"... Durch wie viel Menschengeist / magst du gespenstern, / ..."

Ludwig Janssen

Anmerkung:

"...
DER TAGESSPIEGEL: Jenny Erpenbeck ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Am 7. September erscheint im Galiani Verlag ihr neues Buch „Dinge, die verschwinden“, dem wir diesen Text entnahmen. Am 10.9, 20 Uhr, liest Erpenbeck erstmals aus dem Buch, Backfabrik, Saarbrücker Str. 36.
..."


link zum beitrag auf tagesspiegel online

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