Dienstag, 25. September 2007

Sphüngs, als het je belieft

Der Sphüngs war nach überreiflicher Legung zu dem Schluss gekommen, dass die Menschen es nicht gut meinten mit seinesgleichen. „Monster“ nannte sie ihn, und obwohl er mit seinen ausgelassenen Flugkünsten jeden bunten Flitterfalter in den Schatten stellte, brachten sie diesen schuppigen Flugraupen mehr Sympathie entgegen als ihm, dem unvergleichlichen Phantasmus der Lüfte, dem prächtigen Schönschwurbler, dem mächtigen Helden der Elben.

Man missbrauchte ihn sogar dazu, kleinen Kindern Angst einzujagen und sie absurden Erwachsenenideen gefügig zu machen wie „Früh-ins-Bett-Gehen“ oder „Liebsein“ (womit Erwachsene meinen, dass ein kleiner Großgeist ihnen keine Schwierigkeiten machen und ihnen ein ungestörtes Leben bereiten soll).

Sie selbst, mittlerweile zu großen Kleingeistern metamorphiert, hatten auch das Krümelmonster aus der Sesamstraße verbannt. Jahrelang war es ihnen gut genug gewesen, Kekse, Buchstaben und Zahlen zu fressen. Hatte dabei, wie es nun einmal in der Natur ehrenhafter Monster angelegt ist, zugleich ein bisschen Anarchie und Widerstand gegen das widerwärtige frühkindliche Einschleimen von Schulwissen in die werdenden Kämpferherzen gestreuselt. Als die dann später nicht nur die offizielle Lehrmeinung (in sich hinein) fraßen, sondern auch gelegentlich Bücher und Lehrer, war es bald aus mit dem blauen Krümelmonster und seiner Karriere als so genannte „öffentliche Vorbildfunktion“.

Mir wird das hier nicht anders ergehen, resümierte der Sphüngs und dachte ans Auswandern. Nur – wohin? An einer Autobahnraststätte entlang der Route von Westen in die verschneiten Berge der südlichen Lande dann, genauer gesagt in einem Papierkorb der Raststätte Würzburg-Nord, machte der Sphüngs eine erstaunliche Entdeckung: Es gab im Westen Europas ein Land, in dem die Menschen Monstern gegenüber durchweg positiv eingestellt waren! Dort in Gouda pries man nicht nur den heimischen Käse, dort pries man auch die Monster! Man versprach Gratis-Monster, Monster hier, Monster da, lächelnde Menschenfrauen drückten (seltsamerweise verhüllte) Monster an ihre üppigen Brüste oder reichten ihren Kindern sorgfältig verpackte Monster für die große Pause in der Schule. Sogar ihre Königin empfahl dem Volk den unbefangenen Umgang und die Vorzüge der unterschiedlichsten Monster.

Na, wenn das so ist, dachte der Sphüngs erleichtert und machte sich unverzüglich auf den Weg. Er breitete seine Schwingen aus und flog westwärts. Die Navigation war kein Problem, er folgte einfach dem sich mit zunehmender Dunkelheit unter ihm lichtenden Lichterband Richtung Salzwasserluft. Wie würden die Menschen dort sich freuen, wenn er ihnen erschien, malte der Sphüngs sich aus. Sicherlich hätten sie nichts dagegen, wenn er eines ihrer Nilpferde zum Nachtmahl wählte oder zum Frühstück einen der städtischen Teiche von der Entenplage befreite. Sie würden ihn anlächeln, die Goudanier, ihren Kindern ans Herz legen und ihre wunderschönen Frauen würden ihn an ihre üppigen Brüste drücken. Als kleines Dankeschön könnte er dafür eine nützliche Aufgabe übernehmen, bei der seine Talente zur Geltung kämen. Zum Beispiel würde er sicherlich einen ausgezeichneten Sinterklaas abgeben, „echt flugtauglich“, nur einen Esel zur Wegzehrung bräuchte er alle zwei Flugstunden – und mit äußerster Sorgfalt würde er selbstlos, ohne sich um den Verlust seiner Figur zu scheren, die Kinder vor schädlichen Süßigkeiten bewahren. Zugleich segensreich, wie in den guten alten Zeiten das Krümelmonster, ein wenig Anarchie und das Wissen um die Essbarkeit von Lehrern blütengleich in ihre kleinen bubbernden Herzchen streuen. Ja, schwelgte der Sphüngs in vorweggenommenem Glück, er würde sich sogar dazu hergeben, den einen oder anderen goudanischen Lehrer höchstpersönlich aufzufressen, wenn das im Sinne seiner löwenherzklopfenden Klientel wäre.

Derart beseelt setzte der Sphüngs um 24 Uhr MEZ auf einem hell erleuchteten und stark frequentierten Platz Amsterdams zur Landung an und bereitete den dort anwesenden Niederländern seine strahlende Erscheinung.

Diese wiederum war den Monster-Küssern und Monster-an-den-Busen-Drückern wohl doch etwas zu gewaltig, denn anders als in der Vorstellung des Sphüngs kamen die Menschen nicht etwa alle herbei geeilt, um ihn freudig willkommen zu heißen, sondern stoben laut schreiend in alle Himmelsrichtungen davon. Bis auf ein paar wenige Exemplare, deren Gesichter die Farbe des auf den Plakatwänden angepriesenen Käses angenommen hatten. Wie schön, dachte der Sphüngs, dass man die Goudanier auf diese Weise so gut von den Ignoranten im Osten unterscheiden kann. Freudestrahlend stürmte er auf sie zu und forderte sie ungeduldig auf, ihn unverzüglich ihrer Königin vorzustellen und ihm die Dienstkleidung des Sinterklaas sowie ein Dutzend Esel auszuhändigen. Sphüngse …

Ludwig Janssen © 24.9.2007

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